Harald Martenstein - Wie man mit gefährlicher Kunst leichter durchkommt
Aus Kinderbüchern von Roald Dahl wurden diskriminierende Begriffe entfernt. Wie erschafft man Kunst, ohne im Nachhinein verbessert zu werden? Unser Autor hat eine Idee.
Roald Dahls Kinderbuchklassiker sind bekanntlich von seinem britischen Verlag einem Waschprozess unterzogen worden. Alles, was irgendwen in den tonangebenden Kreisen stören könnte, musste weg. Martenstein kommt es vor, als sei es erst gestern gewesen, dass Kunst vor allem "unbequem" sein musste. Ein Buch sollte eine Axt sein für das gefrorene Meer in uns. Heute sollen Bücher eine Nagelfeile sein für die Susan Sontag in uns. Bei Dahl wurde sehr viel weggesäubert, unter anderem der geschlechterklischeehafte Satz "Frauen kreischen, Männer werden weiß im Gesicht". Das als unanständig geltende, Weiße verherrlichende Wort "weiß" wurde generell durch "pale" ersetzt, bleich. Ein Hit seiner Kinderzeit, in der es oft bleiche Weihnachten gab, war ja, noch unter unsensiblem Titel, der Song "Bleiche Rosen aus Athen". Um Frauen nicht herabzusetzen, wurde eine "Supermarktkassiererin" zur "Topwissenschaftlerin" befördert, was der Handlung insgesamt eine etwas andere Richtung geben dürfte. Ob der Roman Madame Bovary noch funktioniert, wenn Emma Bovary keine Hausfrau mehr ist, sondern Personalchefin bei Zalando, muss frau abwarten.