Auch in der Rundfunktechnik - Deutsch-moldawische Verbindungen

Sender Wiederau
Der 1939 in Wiederau installierte Sender (Zustand vor dem Diebstahl der Senderöhren) | © Kai Ludwig

Ein Blick in die Geschichte zeigt bemerkenswerte Verbindungen zwischen Deutschland und der kleinsten der früheren Sowjetrepubliken, die gerade kurz am Rande der Schlagzeilen aufgetaucht war. Das betrifft auch die Mittelwellenstation in Codru, einem Vorort der Hauptstadt Chisinau.

Diese Verbindung hat ihren Ausgangspunkt im Jahre 1939. Seinerzeit erhielten die Sendestationen in Berlin-Tegel und in Wiederau bei Pegau je einen zusätzlichen Sender damals modernster Bauart, um bei Bedarf schnell auf andere Frequenzen wechseln zu können.

Nach Kriegsende wurden diese Sender von der Sowjetunion beschlagnahmt. In Wiederau geschah das an Ort und Stelle, mit Ausstrahlungen von Radio Moskau. Die ständige Nutzung des alten Senders endete erst 1989, mit dem Umzug der betreffenden Frequenz 1323 kHz nach Wachenbrunn.

RQ 1018, Moskau
Die Leitungskennung, eine Erinnerung an die Ausstrahlung von Radio Moskau aus Wiederau | © Kai Ludwig

Der moderne Sender in Tegel wurde hingegen in die Sowjetunion abtransportiert. Das geschah wohl parallel zur Demontage der gesamten Kurzwellenstation Zeesen, also noch 1945, als nicht abzusehen war, was mit der Sendestation Tegel 1948 geschah. Der Sender gelangte nach Codru und verbreitete dort fortan das Rundfunkprogramm aus Chisinau.

Mit (ähnlich wie bei den Zeesen-Sendern in Litauen) erheblichen Umbauten, insbesondere auf sowjetische Röhrentypen, blieb der Tegel-Sender über drei Jahrzehnte im Einsatz. 1975 wurde er schließlich durch einen neuen Sender von Maschinopriboj Leningrad abgelöst und verschrottet.

Nach dem Wellenplanwechsel von 1978 lautete die Frequenz des neuen, 150 kW starken Senders 999 kHz. Hinzu kamen noch zwei Einheiten der in großer Stückzahl in die UdSSR importierten tschechischen Sender: Mit 50 kW auf 1449 kHz und mit 5 kW auf 1593 kHz.

Ein Teil der Sendeanlage Tegel könnte auf der Sendestation Codru noch existieren: Die Hauptantenne besteht möglicherweise aus Mastschüssen einer Flächenantenne, die in Tegel zusammen mit dem Sender demontiert wurde.

Sender Codru
Mastschüsse aus Tegel? Die Hauptantenne in Codru | © Waleri Satolotschny, CC

1971 ging direkt an der Grenze zur Ukraine, in der Nähe von Grigoriopol, eine weitere Sendestation in Betrieb. In der ersten Ausbaustufe diente sie zunächst einer Verstärkung der Langwellenverbreitung des Allunionsradios sowie der Auslandssendungen auf Mittelwelle.

Nach 1980 übernahm die neue Station auch den Betrieb der Frequenz 999 kHz und erfüllte so den Wunsch nach deren Verstärkung auf 1000 kW. Möglich machte das die Entwicklung neuer Röhrentypen, mit denen die Leistung der alten Senderbauarten aus den 50er/60er Jahren bis auf das Vierfache erhöht werden konnte.

Die beiden Lang-/Mittelwellensender in Grigoriopol bestanden jeweils aus zwei Blöcken. Dadurch konnte der gewünschte dritte Sender auch ohne die nicht bewilligte Investition plötzlich aus dem Nichts auftauchen: Eine der vorhandenen Anlagen wurde in zwei voneinander unabhängige Einzelsender aufgeteilt.

Der so freigesetzte Hauptsender in Codru reihte sich ein in das Netz der Mittelwelle 873 kHz, auf der das Allunionsradio sein Kulturprogramm übertrug. 1991 fiel dieses Programm der von Boris Jelzin forcierten Gründung von Radio Rossii zum Opfer.

Die Sendestation Grigoriopol führt nun zu einem weiteren Stichwort, das unlängst kurz in den Hauptnachrichten auftauchte und Verbindungen zu Deutschland hat, die nicht in Vergessenheit geraten sollten: Transnistrien.

Worum es hier geht, kann bei Yad Vashem nachgelesen werden. Eine ausführliche Darstellung bietet die online verfügbare Arbeit Transnistria's ethnic Germans and the Holocaust. Zu diesem Thema gibt es auch ein Buch.

Situation von 1941/1942, gekennzeichnet Orte mit Ghettos und Tatorte von Massakern an Juden | © Dna-Dennis, CC

Wenn heute in russischer Sprache von Pridnestrowje die Rede ist, meint das nur einen kleinen Teil des alten Transnistrien: Den an vielen Stellen keine 20 Kilometer breiten Streifen zwischen dem Ostufer des Flusses Dnestr/Nistru und der heutigen Grenze zur Ukraine, zuzüglich der Stadt Bendery.

Die dortige Situation rührt daher, wie die Perestroika in Chisinau verstanden wurde: Als Einschlagen eines nationalistischen Kurses, der nur noch die rumänischen Sprache zulassen wollte und diskutierte, sich überhaupt doch wieder Rumänien anzuschließen.

In der überwiegend von Russen bewohnten Stadt Tiraspol fand das keine Zustimmung. Ersten Großdemonstrationen im Jahre 1989 folgte 1990 die Ausrufung einer „Pridnestrowischen Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik“. Mit dem Verschwinden von Sozialismus und Sowjetunion blieb davon die heutige PMR.

Als 1992 versucht wurde, das Problem mit Waffengewalt zu lösen, griff die 14. Armee der russischen Streitkräfte unter General Lebed ein. Ergebnis war ein „eingefrorener“ Konflikt mit einer in verschiedener, vor allem ökonomischer und finanzieller Hinsicht an russische Strukturen angebundenen PMR.

Mit den alten Feindseligkeiten hat das inzwischen nur noch wenig zu tun. Zu Friedenszeiten (um eine inzwischen nicht ungebräuchliche Formulierung aufzugreifen) handelte es sich um den typischen Fall einer Sache, an die man am besten nicht rührt.

Eine entscheidende Rolle nahm Alexander Lebed nicht erst hier ein. Er war bereits daran beteiligt, den Putschversuch von 1991 zu vereiteln. 1996 beendete ein von Lebed ausgehandeltes Friedensabkommen den Krieg in Tschetschenien noch einmal. Dazu wird Putin der Kommentar „Verrat“ zugeschrieben.

Alexander Lebed kam 1998 bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben. Nicht wenige Leute glauben hier nicht an einen Unfall.

Alexander Lebed
Denkmal für Alexander Lebed in Bendery | © Kate Bum, CC

Die im Grunde zufällige Platzwahl für die neue Großstation katapultierte das Regionalstudio Tiraspol, das bis dahin nur über das örtliche Drahtfunknetz aktiv war, 1992 schlagartig zum internationalen Rundfunksender.

Das machte es „erforderlich“, auf Methoden zurückzugreifen, die eigentlich 1988 aus der Mode gekommen waren: Den Störsenderbetrieb, außer auf 999 kHz auch auf einer zweiten, seinerzeit in Grigoriopol betriebenen Frequenz (1467 kHz, in dieser Rolle heute durch 621 kHz ersetzt). Somit verblieb in Codru nur noch die reine Stadtfrequenz 1593 kHz.

Zwar gibt es – sie ist an beiden Standorten, wahrscheinlich mit den alten tschechischen Röhrensendern, nach wie vor aktiv – auch noch die Frequenz 1494 kHz aus Cahul und aus Edinet. Für die gewünschte umfassende Mittelwellenabdeckung reichte die Sendeleistung von jeweils 25 kW allerdings nicht.

Hier kam nun Rumänien zur Hilfe: Radio Iasi übernahm zu bestimmten Zeiten, in der Spitze fast ganztags, auf seiner Mittelwelle 1053 kHz das Hauptprogramm des Rundfunks in Chisinau. Diese Frequenz läuft über eine seinerzeit 1000 kW, heute immer noch 400 kW starke Sendeanlage.

Für die Mittelwelle 1449 kHz soll es seinerzeit sogar direkten Ersatz gegeben haben, wenn auch aus reichlich großer Entfernung: Seinerzeit war die Rede von einer Ausstrahlung aus der Mittelwellenstation Czernowitz in der Bukowina.

Kurz nach dem 24. Februar war nun umgekehrt aus Kreisen des ukrainischen Rundfunks ein Appell „bitte übernehmt unser Signal“ zu lesen. Prädestiniert dafür wäre Rumänien, das sich bis heute den weiteren Betrieb seines gesamten AM-Netzes leistet und damit im europäischen Teil des postsowjetischen Raums bei Dunkelheit die Mittelwelle beherrscht.

Sollte, über Formate wie Gastbeiträge in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hinaus, von ukrainischer Seite tatsächlich konkret um solche Hilfe gebeten worden sein, dann stießen die Wünsche in Rumänien diesmal auf kühle Ablehnung.

Radio Moldova
Ein Studio von Radio Moldova | © TRM

Seit 1994 läuft in Codru wieder regulärer Sendebetrieb. Zwar wird auf eine Mittelwellenausstrahlung des Kulturprogramms längst verzichtet, das Hauptprogramm kommt jedoch nach wie vor auf 873 kHz.

2013 bekam die Station leihweise einen Transistorsender (TRAM) aus Moskau. Hintergrund war ein Projekt, das heute völlig unvorstellbar erscheint: Im Verbund mit den Stationen Browary bei Kiew und Tolkyn in Kasachstan (inzwischen beide abgerissen) sollten digitale Sendungen auf 549 kHz erprobt werden.

Um auch weiterhin die Frequenz 873 kHz in kostengünstiger Weise mit 50 kW zu fahren, beschaffte das Betreiberunternehmen schließlich 2015 selbst einen Transistorsender kanadischer Bauart. Diesmal soll der Röhrensender von 1975 als Reserve erhalten worden sein.

Das Hauptprogramm von Radio Moldova enthält auch Beiträge in Russisch sowie Gagausisch, Romanes, Weißrussisch, Ukrainisch und Bulgarisch. Hinzu kommt, derzeit am Montag von 21.05 bis 21.35 Uhr MESZ, eine extern zugelieferte russischsprachige Sendung: Pridnestrowskije Dialogi.

Diese Sendung stammt von der rumänischen Redaktion von Radio Free Europe / Radio Liberty, die 1989 ihr Zielgebiet auf Moldawien erweitert hat. 2008 zog sie sich zunächst aus Rumänien zurück, ist seit 2018 aber auch dort wieder aktiv.

Radio Europa Liberă, Pridnestrowskije Dialogi
© https://www.europalibera.org/z/3022

Das reguläre russische Programm von RFE/RL wiederum wird stundenweise auch in Moldawien ausgestrahlt, und zwar auf einem ungewöhnlichen, kaum kommunizierten Weg: Über drei der alten UKW-Sender im OIRT-Band, die auf den Sendeanlagen Straseni, Ungheni und Edinet eigens dafür bis heute in Betrieb sind.

Aus Grigoriopol wiederum werden jetzt auf gleich zwei Mittelwellen russische Hörfunkprogramme ausgestrahlt. Damit geschieht dort auch nichts anderes als das, was das französische Unternehmen Eutelsat macht und dafür zunehmend angegangen wird.

Sender Grigoriopol, 26.04.2022
Trümmer der am 26. April zerstörten Antennen der Sendestation Grigoriopol | © IMAGO / ITAR-TASS

Wer sich zu den Anschlägen im April, die sich auch gegen die Sendestation richteten, nun noch den ausführlichen Beitrag eines Fernsehsenders aus Tiraspol ansehen mag, findet die Täter dort ohne weitere Attribute als „Terroristen“ beschrieben. Zu Fall gebracht wurden die drei zerstörten Masten demnach mit Minen.

Der Bericht von TWS schließt wieder den Kreis nach Deutschland: Bei dem riesigen Munitionsdepot in Kolbasna bei Rybniza, das ebenfalls attackiert wurde, handelt es sich demnach um frühere Bestände der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, die aus dem Raum Dresden hierher abtransportiert wurden.

 

Autor: Kai Ludwig; Stand vom 20.05.2022