Statt Echo Moskwy - Echo aus Berlin

Echo Moskwy, Perm
Nur noch Erinnerung: Die UKW-Ausstrahlung von Echo Moskwy in Perm | © Archiv ADDX

Nachdem Echo Moskwy in den ersten Märztagen zunächst auf UKW abgeschaltet und dann von seinem Haupteigentümer Gazprom ganz abgewickelt wurde, kam es am 3. Oktober nun zu einem Neustart aus dem Exil – in diesem Fall aus Berlin.

Das Programm nennt sich jetzt einfach Echo. Zu hören und lesen ist es unter echofm.online.

Diese Adresse ist nur schwer aufzufinden. Das bewahrte sie jedoch nicht davor, vom russischen Medienregulierer Roskomnadsor binnen drei Tagen auf die Sperrliste gesetzt zu werden.

Organisiert wurde der Neustart von Maxim Kurnikow, dem einstigen stellvertretenden Chefredakteur, der Moskau in Richtung Berlin verlassen und sich dort für „Bild“ als Partner entschieden hat. Die Ankündigung gab es auf Doshd, dem jetzt ebenfalls aus dem Exil aktiven Fernsehsender.

Wie hier zu hören, sind zwei frühere Mitwirkende von Echo Moskwy inzwischen für die Deutsche Welle tätig. Auch sie sind in den Neustart involviert.

Maxim Kurnikow war selbst auf Sendung, als die UKW-Verbreitung von Echo Moskwy am Abend des 1. März 2022 unterbunden wurde. Dazu seine Erzählung:

„Ich wusste, dass, während wir in Moskau abgeschaltet wurden, im ganzen Land die Abschaltung noch einige Zeit dauern würde. Also haben wir einfach im Studio weitergearbeitet.
Obwohl wir während der Sendung Nachrichten im Chatraum erhielten: Die Radioübertragung in Kasan ist weg! Die Radioübertragung in Samara ist verschwunden! Ich sah, wie eine Stadt nach der anderen abgeschaltet wurde. Aber ich wusste, dass unser Youtube-Kanal noch funktionierte. [...]
Erst als wir das Studio verließen, wurde uns klar, was geschehen war.“

Wie schon die Doshd-Journalistin Jekaterina Kotrikadse widersprach auch Kurnikow den Verweisen auf Umfragen, die eine breite Unterstützung des Krieges suggerieren:

„In Russland sollte man auf eine andere Zahl achten – nämlich den Prozentsatz derjenigen, die sich weigern, die Fragen der Soziologen zu beantworten, und das sind mehr als 90 Prozent.
Diese berüchtigten 80 Prozent sind also nicht die Mehrheit der Russen, sondern die Mehrheit von denjenigen, die zugestimmt haben, überhaupt an einer Umfrage teilzunehmen. Und diejenigen, die nicht zugestimmt haben, haben wahrscheinlich eine gegenteilige Meinung. Die Menschen haben einfach Angst.“

Auch den Verweis auf online abgegebene Kommentare will Kurnikow nicht gelten lassen:

„Und was macht Sie so sicher, dass diese Kommentare von echten Menschen und nicht von Bots geschrieben wurden? Sie wissen, dass in Russland eine ganze Industrie geschaffen wurde, um solche Kommentare zu schreiben. [...]
Ich will damit aber nicht sagen, dass die Mehrheit der Russen gegen Putin und seine Politik ist. Vielmehr hat sich die Mehrheit noch nicht entschieden, hat noch keine Position eingenommen. Schließlich ist es so viel bequemer. Wir werden sehen, wem sie sich anschließen werden, wenn das Leben sie dazu zwingen wird.“

Dies dürfte mit dem teils chaotischen Einzug von Wehrpflichtigen nun eingetreten sein.

Die Studios und Redaktionsräume von Echo Moskwy waren schon zwei Wochen nach der Unterbindung des Betriebs eliminiert. Sie befanden sich ab 1995 im Hochhaus Nowy Arbat 11 im 14. Stock. Zuvor hatte Echo Moskwy ab 1990 behelfsmäßig aus einem kleinen Studio im Rundfunkknotenamt (ul. Nikolskaja 7) gesendet.

Von der Räumung nahm die Nowaja Gaseta noch mit Fotos und Anekdoten Notiz, bevor sie selbst zwei Tage später wegen des immer massiveren Drucks der Behörden die Arbeit in Moskau einstellte.

Einen Neustart gab es hier nach vier Wochen von Riga aus. Die lettische Hauptstadt galt über längere Zeit als Hochburg exilrussischer Medien.

Inzwischen werden in Riga allerdings nicht nur sichtbare Zeichen gesetzt. Die lettischen Behörden erachten auch die Konzentration russischer Journalisten als gefährlich. Eine Konferenz, die im September stattfinden sollte, ist deshalb bereits in aller Stille abgesagt worden.

 

Autor: Kai Ludwig; Stand vom 06.11.2022