Wiederaufnahme - Deutsche Welle wieder mit russischen Hörfunksendungen

Deutsche Welle, Russisch
© DW

Die Deutsche Welle hat es geschafft, selbst die BBC zu übertreffen: Nach einer Unterbrechung von elf Jahren ist ihr russisches Angebot wieder im Hörfunk präsent – wenn auch nicht aus eigener Kraft, sondern mit US-amerikanischer Hilfe.

Die Sendung läuft täglich von 20.00 bis 20.30 Uhr MESZ über den Mittelwellensender Viešintos (Litauen) auf 1386 kHz. Um eine wirkliche Wiederaufnahme des Hörfunkbetriebs handelt es sich nicht, sondern nach eigenen Angaben der DW um Adaptionen von Videoproduktionen.

Den Sendeplatz hatte bis zum 30. Juni Radio Free Europe / Radio Liberty bespielt. Dessen einst großflächige Präsenz auf dieser Frequenz war 2019 drastisch auf drei Stunden am Abend gekürzt worden. Davon ist nun nur noch die Sendezeit von 20.30 bis 23.00 Uhr übrig.

Die Überlassung der Sendezeit bezeichnet die DW als „gemeinsames Projekt“. Das wirft die Frage auf, ob etwa RFE/RL weiterhin die Ausstrahlung bezahlt, was wiederum eine bestimmte Vermutung zur nächtlichen Übertragung von Radio Ukraine International erhärten würde.

Bei dem von der DW ebenfalls genannten Radio Baltic Waves handelt es sich um den Inhaber der Sendelizenz. Diese Firma war einst vom ersten postsowjetischen Kommunikationsminister Litauens, Rimantas Pleikys, gegründet worden.

Seit dessen Tod Anfang 2021 lassen sich keinerlei Informationen zur Mittelwelle 1386 kHz mehr beschaffen. Auch umfassende Angaben zur Bespielung der Frequenz können nur noch durch Empfangsbeobachtung ermittelt werden.

Eine Premiere für die DW ist die Mittelwellenausstrahlung aus Litauen nicht. Es gab sie 2006 für kurze Zeit schon einmal, seinerzeit auf 1557 kHz und mit jenem Sender, der sich in diesen Bildern aus der gruseligen Endzeit der Sendestation Sitkunai mit lautem Brummen bemerkbar macht.

Die Mittelwelle 1557 kHz war gerade Gegenstand eines seltsamen Vorgangs. Nachdem eine rundfunkrechtliche Ausschreibung ergebnislos blieb, wurde die Frequenz nochmals ausgeschrieben und im Ergebnis keinem Programmveranstalter, sondern dem Technikbetreiber Telecentras zugeteilt. Es ist weiterhin nicht bekannt, was das bezwecken soll.

Deutsche Welle in Köln, Moderatorenplatz
Ein Studio im 2003 aufgegebenen, inzwischen abgerissenen Funkhaus der DW in Köln | © Kai Ludwig

Die Deutsche Welle hatte ihre russischen Hörfunksendungen in zwei Schritten eingestellt. Zunächst kündigte sie, und das ausdrücklich von sich aus, zum Ende des Jahres 2010 die Ausstrahlungen auf Mittelwelle.

Das waren zum einen zwei Stadtfrequenzen in Moskau und Sankt Petersburg, die damit abgeschaltet wurden. Zum anderen gab es Sendeplätze auf der Mittelwelle Grigoriopol 999 kHz. Sie wurden nahtlos von Trans World Radio übernommen, das sie bespielte, bis es nun Radio Rossii zu weichen hatte.

Danach lief das russische DW-Programm noch weitere sechs Monate rund um die Uhr über Satellit und online sowie sechseinhalb Stunden am Tag auch auf Kurzwelle. Eigentlich sollte es dann zusammen mit dem deutschen Programm im Herbst 2011 eingestellt werden. Diesen Termin zog die DW noch auf den 30. Juni vor.

Der überraschten Redaktion wurde das von ihrem Leiter am 16. Juni 2011 eröffnet. Anschließend ging er daran, den Abschalthinweis selbst abzufassen, während seine Mitarbeiter ihre Kontakte in Moskau benachrichtigten, von wo die Information schließlich zurück zum Chronisten in Deutschland gelangte.

Womöglich war dieses Vorziehen von der BBC inspiriert. Dort sind, auch hier als Teil eines großen Abschaltpakets, die russischen Hörfunksendungen zum 27. März 2011 entfallen.

Nach dem 24. Februar 2022 gab es bei der BBC erste Vorarbeiten, darunter die technische Planung von Sendeplätzen auf Kurzwelle, für ein erneutes russisches Radioangebot. Der Ansatz wurde dann aber nicht mehr weiter verfolgt.

Wie aus London zu hören ist, scheiterte die Idee an fehlenden Ressourcen für solche Hörfunkproduktionen. Deren Aufbau kommt nicht mehr in Betracht, nachdem mit den jüngsten medienpolitischen Entscheidungen der britischen Regierung die Zeichen ganz klar auf weiteren Rückbau stehen.

Sendestudio – Bitte Ruhe!
Noch eine Impression aus Köln | © Kai Ludwig

Im vergangenen September kam es bei der DW bereits zur Wiederaufnahme einer Hörfunksendung, die zwei Jahre zuvor entfallen war. Im Gegensatz zum russischen Angebot gibt es in diesem Fall auch eine erneute Ausstrahlung auf Kurzwelle.

Gemeint ist die Sendung für Afghanistan, die derzeit von 16.00 bis 17.00 Uhr aus Taschkent auf 6100 kHz und aus Abu Dhabi auf 15230 kHz abgestrahlt wird. Zum 30. Oktober rückt der Sendeplatz mit dem Ende der Sommerzeit wieder eine Stunde zurück, wahrscheinlich verbunden mit Frequenzänderungen.

Im Zustand des größten Rückbaus, also von 2019 bis 2021, beschränkte sich das von der DW noch selbst verbreitete Hörfunkangebot auf zwei afrikanische Sprachen. Das ist zum einen das in Äthiopien gesprochene Amharisch. Diese Sendung kommt derzeit von 18.00 bis 19.00 Uhr über die Sender in Frankreich auf 15275 und 17800 kHz.

Sogar noch recht umfangreich sind die Sendungen in der westafrikanischen Sprache Haussa: Von 8.30 bis 9.00 und von 20.00 bis 21.00 Uhr jeweils auf 9830 kHz (aus São Tomé) sowie 11850 und 15215 kHz (aus Frankreich), von 14.00 bis 15.00 Uhr auf 9570 und 11850 kHz (São Tomé) sowie 17800 kHz (Frankreich).

Hinzu kommen – ebenfalls eine zuerst von der BBC umgesetzte Idee – zusätzliche Fußballübertragungen: Jeweils am Sonnabend, sofern er ein Bundesliga-Spieltag ist, von 15.25 bis 17.30 Uhr aus Frankreich auf 15195 und 15350 kHz. Diese Sendung wird naturgemäß auch nach dem Ende der Sommerzeit auf ihrem Platz bleiben.

 

Autor: Kai Ludwig; Stand vom 17.07.2022