RTVE - Spanien auf Kurzwelle

Sender Noblejas
Die Sendestation Noblejas kurz nach ihrer Eröffnung | © Sammlung Horacio Nigro

Weiterhin auf Kurzwelle aktiv ist der spanische Rundfunk RTVE. Grund für besonderes Eigenlob, wie RTVE es am 3. März 2022 verschickte, ist das allerdings nicht.

Worüber der Werbetext dezent hinweggeht, ist weiter unten auf dieser Seite zu lesen, ganz abgesehen vom Umfang der russischen Sendungen: Es gibt lediglich drei halbstündige Ausgaben pro Woche.

In der laufenden Wintersaison bis zum 25. März 2023 ist folgender Sendereinsatz vorgesehen:

Montag bis Freitag
17.00-01.00 Uhr: 11685 kHz (nach Afrika)
17.00-01.00 Uhr: 12030 kHz (nach Nahost)
20.00-04.00 Uhr: 9690 kHz (nach Nordamerika)
20.00-04.00 Uhr: 11940 kHz (nach Südamerika)

Sonnabend, Sonntag
16.00-24.00 Uhr: alle vier Frequenzen

Stand vom 28.12.2022

Der Kurzwellendienst von RTVE kommt aus einer Sendestation bei Noblejas, 50 Kilometer südlich von Madrid. Sie wurde (soweit erkennbar nicht nur als Pose, sondern tatsächlich) am 21. Juli 1971 von Franco persönlich in Betrieb gesetzt.

Entsprechend ging die Ausgabe 1490 der spanischen Wochenschau ab Sekunde 50 näher auf das Thema ein. Neben dem obligatorischen Personenkult präsentierte sie auch Einblicke in die Ausstattung der Station.

Aufgebaut wurden hier ein Park an Vorhangantennen sowie sechs Sender mit einer Leistung von jeweils 350 kW. In den ersten Betriebsjahren liefen sie teilweise als Paare mit einer Gesamtleistung von 700 kW.

Sender Noblejas
Der alte Auftritt in der Einfahrt der Kurzwellenstation: Radio Nacional de España

Ab den späten 80er Jahren kamen aus Noblejas auch Programme eines externen Veranstalters. Dazu führten Bestrebungen des damaligen Radio Peking, Ausstrahlungspartner in Europa zu finden. Erfolg hatte das nicht nur in der Schweiz, in Frankreich sowie später auch in der (früheren) Sowjetunion, sondern ebenso in Spanien.

Somit wurden bis 2014 aus Noblejas nachts ein Programmblock von China Radio International nach Nordamerika und im Gegenzug aus Xian das spanische Programm von Radio Exterior ausgestrahlt. Besonders auffällig war in Spanien die Nutzung von Kommentarleitungen in Telefonqualität, unter der auch die anderen Tauscharrangements mit Peking litten.

Zuletzt versuchte die chinesische Seite noch, die Nutzung des Standorts Noblejas weiter auszubauen und von hier aus auch Europa zu bedienen. Über einige 2007 gefahrene Versuchssendungen kamen diese Bestrebungen jedoch nicht mehr hinaus.

Sender Arganda del Rey
„Nachnutzung“ der Kurzwellenantennen in Arganda

Die Sendestation Noblejas ersetzte die 1954 in Betrieb genommene Kurzwellentechnik in Arganda del Rey, einer Vorstadt im Südwesten von Madrid. Bis 1985 wurden diese Sender als Ergänzung und Reserve noch weiter vorgehalten.

Danach verblieb hier zunächst der Mittelwellenbetrieb, für den in den 80er Jahren noch ein Telefunken-Sender mit 600 kW Leistung installiert wurde. Eine Besonderheit für den Nachtbetrieb auf 1359 kHz war ein steil nach oben strahlender Kreuzdipol.

Die einst ebenfalls aus Arganda betriebene Mittelwelle 585 kHz ist inzwischen, verbunden mit einer Verstärkung von 50 auf wiederum 600 kW, nach Majadahonda im Westen von Madrid umgezogen. Die Frequenz 1359 kHz fand bis ins vergangene Jahrzehnt mit immer seltener werdenden abendlichen Einschaltungen und digitalen Sendeversuchen ein sehr allmähliches Ende.

Von 1964 bis 1981 war RTVE auch von Teneriffa aus auf Kurzwelle aktiv. Auf der Mittelwellenstation Santa Cruz noch heute zu sehen ist die Gruppe von drei Fachwerktürmen, an denen zwei Antennenvorhänge für die beiden, mit 50 kW bescheiden dimensionierten Kurzwellensender montiert waren.

1990 kam schließlich noch etwas hinzu, das sonst den größeren Akteuren vorbehalten blieb: Eine Sendestation im Ausland, und zwar in Costa Rica. Diese kleine Anlage mit drei Sendern und Antennen für Ausstrahlungen nach Nordamerika, Mittelamerika sowie Kolumbien und Venezuela hat RTVE 2013 aufgegeben.

Sendestudio von Radio Exterior in den 90er Jahren

Bei Radio Exterior de España selbst herrschte in den letzten beiden Jahrzehnten kein Mangel an Trubel. Auffällig war zuerst der Umgang mit den Sendungen in deutscher Sprache, die 1990 ins Programm genommen wurden.

Die zuletzt noch zwei Ausgaben pro Woche verschwanden 2004 kommentarlos. Über Monate waren dazu nur ausweichende Antworten zu bekommen, bis der Grund des Wegfalls doch noch durchsickerte: Die Redakteurin, die diese Sendungen gestaltet hatte, war entlassen worden.

Als 2006 größere Sparmaßnahmen bei RTVE im Raum standen, hieß es noch, Radio Exterior bleibe „vorerst“ unangetastet.

2012 begann das Ungemach dann mit umso größerer Wucht. Es kam zu einer ersten Serie von Entlassungen, Gehaltskürzungen und Versetzungen zu anderen Bereichen von RTVE, verbunden mit der Absetzung von Sendungen. Die für Europa und Nordamerika bestimmten Kurzwellenfrequenzen wurden nicht mehr eingeschaltet.

Casa de la Radio
Funkhaus Madrid

2014 spitzte sich die Lage weiter zu und wurde nun in den selbstreferentiellen Hörerpostsendungen, wie sie für den klassischen Auslandshörfunk typisch sind, auch ins Programm getragen. So hieß es bei der englischen Redaktion, man wisse nicht, ob man am 1. Oktober noch auf Sendung sein werde.

Die eskalierende Verunsicherung erwies sich als berechtigt. Als erstes wurde den Nachrichtenredakteuren von Radio Exterior durch neu eingesetzte Chefs beschieden, zum 1. September „nach unten zu gehen“, also zu Radio Nacional (Radio 1).

Zum 15. Oktober 2014 folgte die Abschaltung der Sendestation Noblejas. Damit entfiel auch die gesonderte Ausspielung der Fremdsprachensendungen. Sie wurden in das verbleibende Hauptprogramm integriert, und zwar zunächst auf nächtlichen, für Europa und Nahost also völlig absurden Sendeplätzen.

Das spanischsprachige Angebot selbst schien äußerlich weitgehend unangetastet zu bleiben. Wie Hörer bemerkten, waren viele der bekannten, im Programmschema weiterhin erscheinenden Titel aber nur noch leere Hüllen, die nichts mehr mit den einstigen Sendungen zu tun hatten.

Sender Noblejas
© Stadt Noblejas, CC

Auf die Abschaltung der Kurzwellensender reagierten Entwicklungshilfe und Seefahrt mit deutlicher Kritik. Auch das Militär legte Wert darauf, die Sendeanlage zu erhalten. Der gerade neu angetretene Generalintendant von RTVE sah sich deshalb nach wenigen Wochen gezwungen, etwas anzubieten.

Somit gab es am 16. Dezember 2014 zunächst einen Test. Zwei Tage später ging die Kurzwellenstation Noblejas wieder in Betrieb, allerdings nicht mehr in vollem Umfang, sondern in einer Art und Weise, bei der sich die jährlichen Betriebskosten nach damaligem Stand statt auf 1,2 Millionen noch auf 600.000 Euro beliefen.

Konkret werden noch vier Sender für einige Stunden am Tag eingeschaltet. Eine Besetzung mit Technikern unterbleibt, die Sendestation bleibt also allein ihrer Anlagensteuerung überlassen. Die dabei sehr häufig eintretenden Sendeausfälle werden in Kauf genommen.

2018 kam es mit dem Antritt einer neuen Programmleitung überraschend zu einer erneuten Stärkung von Radio Exterior. Die Produktion eigener Sendungen wurde wieder ausgebaut und der Sendereinsatz etwas erweitert.

Einen externen Grund hatte, was am 16. März 2020 geschah: Die Produktion eines eigenen Programms von Radio Exterior wurde völlig ausgesetzt und an dessen Stelle Radio Nacional durchgeschaltet.

Zu einer Wiederaufnahme, zunächst in eingeschränktem Umfang, kam es am 1. Juni 2020. Wie RTVE dabei durchblicken ließ, war der zeitweise Verzicht auf gesonderte Auslandssendungen nicht allein den Umständen geschuldet, sondern auch ein politisches Statement.

 

Beitrag von Kai Ludwig