648 kHz - Mittelwellensender aus Rotterdam jetzt in England

Sender Rotterdam-Heinenoord
Der von 1994 bis 2013 betriebene Mittelwellensender in Heinenoord bei Rotterdam | © Nozema | © Nozema

Seit November 2021 läuft die Ausstrahlung von Radio Caroline auf 648 kHz auf der Sendestation bei Ipswich mit 4 kW, und zwar mit einem Sender, der zuvor in Rotterdam im Einsatz war. Diese Information weckt einen ganzen Reigen an Erinnerungen.

Hier zu sehen sind die jetzt zur Abstrahlung genutzte Antenne und der Sender. Bei ihm handelt es sich um jenes Gerät, mit dem bis 2013 die Mittelwelle Rotterdam 828 kHz mit tagsüber 20 und nachts 5 kW betrieben wurde.

Die Mittelwellenanlage in Heinenoord bei Rotterdam entstand im Zuge der Öffnung des terrestrischen Hörfunks für kommerzielle Veranstalter. In Betrieb ging sie ursprünglich 1994 für Holland FM, ein 1991 zunächst als Kabelradio gegründetes Projekt.

Wenige Monate nach der Aufschaltung auf Mittelwelle schritt Veronica zum Kauf von Holland FM, um es 1995, mit dem Ausscheiden aus dem System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, in Hitradio Veronica umzuwandeln. Unter diesem Namen sendete das Programm auf 828 kHz (sowie auch 1224 kHz), bis es 1998 auf UKW wechseln konnte.

Die Frequenz 828 kHz verkaufte Veronica anschließend an das 1996 ebenfalls im Kabel gestartete Arrow Classic Rock. Es sendete hier, bis sich die Gelegenheit ergab, die Großmittelwelle 675 kHz in IJsselstein bei Utrecht zu übernehmen.

Diese Frequenz gehörte zuvor zur dritten Kette des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dort wurde sie 1994 herausgenommen und dem kommerziellen Sektor zugeordnet. Den Zuschlag erhielt das bis dahin (seit 1988) wiederum ausschließlich über Kabel verbreitete Radio 10.

2003 sah sich Radio 10 bereits am Ziel seiner eigentlichen Bestrebungen: Eine Programmzulieferung an Sky Radio sollte den Weg auf UKW eröffnen. Dieses Arrangement platzte jedoch auf spektakuläre Weise nach wenigen Tagen, als die Mittelwelle 675 kHz bereits an Arrow abgetreten war.

Due to the lack of new sponsors, The Mighty KBC will close down on 6095 on March 27th 2016.
Was der Mittelwelle 1395 kHz geschah, geschah 2016 dann auch der Kurzwelle Nauen 6095 kHz.

Damit hätte Radio 10 mit leeren Händen dagestanden, wenn nicht parallel Business Nieuws Radio erfolgreich auf UKW gewechselt und damit die Mittelwelle 1395 kHz frei geworden wäre.

Diese Frequenz war einst als Hauptmittelwelle des Auslandsdienstes von Radio Tirana bekannt. Trotzdem wurde sie 1995 auch in den Niederlanden für ein Veronica Nieuwsradio in Betrieb genommen.

Dazu gab es einen Deal, dessen Einzelheiten intransparent blieben: Die niederländische Seite verpflichtete sich, ihren Sender zwischen 20.00 und 23.00 Uhr auszuschalten. Die albanische Seite verpflichtete sich, die Frequenz nur noch in diesem Zeitfenster für Trans World Radio zu betreiben und auf eine weitere Übertragung von Eigenprogrammen zu verzichten.

Auch so verwendeten die Betreiber von Veronica Nieuwsradio jedoch die schlechte Frequenz als Begründung für eine äußerst geringe Hörerbeteiligung und versenkten 1996 ihr Projekt per Insolvenz. 1997 versuchte sich auf der dafür errichteten Sendeanlage bei Montfoort noch ein Talkradio 1395 und zog 1998 ebenfalls wieder den Stecker.

Ab 2001 gab es eine neue technische Lösung. Der Sender für die Frequenz 1395 kHz hatte seinen Platz nun am Trintelhaven, einem Nothafen in der Mitte des Deiches zwischen Ijssel- und Markermeer. Von dort aus ging Business Nieuws Radio 2001 auf Sendung.

Die anschließende Übernahme der Frequenz durch Radio 10 wurde mit einem 2004 erreichten Marktanteil von 4,7 Prozent zu einem Erfolg, der die Betreiber animierte, noch einmal auf eine ausgesprochene Großmittelwelle zu gehen.

Für die Mittelwelle 1395 kHz fand sich 2005 ein neuer Nutzer: Das englische Nostalgieprojekt Big L. Dort wollte (konnte) man den vom Sendernetzbetreiber Nozema für die Ausstrahlung mit 20 kW aufgerufenen Preis von 20.000 Euro pro Monat jedoch nicht auf Dauer bezahlen.

Das führte nach vier Monaten zum Ende der Zusammenarbeit. Die Nozema demontierte ihre Sendetechnik (ausgenommen die Antenne) am Trintelhaven. Ein Jahr danach reaktivierte ein neuer Dienstleister (Broadcast Partners) die Frequenz 1395 kHz.

Sehr viel billiger funktionierte es aber offensichtlich nicht, nachdem mangels Stromnetz an diesem Standort nur ein Betrieb mit Dieselgenerator möglich war. Das hatte 2008 genau jene Folge, deren eigentlichen Grund die Betreiber nicht zugeben und die Fans nicht wahrhaben wollten.

Ende 2009 ging der Sender dann doch noch einmal in Betrieb. Möglich machte das ein niederländischer Enthusiast, der sich mit dem Hörfunkprojekt The Mighty KBC ein teures Hobby leistet.

Doch auch für die vereinigten englischen und niederländischen Kräfte blieb die Sendeanlage zu teuer. Was somit Anfang 2011 geschah, kommunizierte der Enthusiast im typischen Stil der einstigen Seesenderbetreiber, indem er knappestmöglich formulierte: „Der Generator ist weg ...“

Der Ersatz dafür waren umfangreiche Ausstrahlungen über die Kurzwellensender in Deutschland; zunächst im Wertachtal, nach der Schließung dieser Station dann in Nauen.

Übrig ist davon inzwischen nur noch eine wöchentliche Sendung nach Nordamerika, die in Mitteleuropa kaum zu hören ist. Im Winter 2021/2022 läuft sie jeweils in der Nacht zu Sonntag von 1.00 bis 3.00 Uhr auf 5960 kHz.

Mittelwellensender Zeewolde
Ein Exponat im Sendersaal der bereits 2007 stillgelegten Kurzwellenanlage Flevoland-Zeewolde: Modell des Mittelwellensenders 747/1008 kHz | © Jan Joris Vereijken, CC-BY-2.0

Die große Lösung für Radio 10 wiederum eröffnete sich, nachdem der öffentlich-rechtliche Rundfunk 2003 – auch das war zu diesem Zeitpunkt noch keine freiwillige Entscheidung – mit 1008 kHz eine weitere Großmittelwelle aufzugeben hatte.

Neu lizenziert wurde sie zunächst an jene englischen Betreiber, die dann auf 1395 kHz aktiv wurden. Diese Zuteilung einer der beiden Frequenzen des Großsenders Zeewolde auf dem Flevopolder führte natürlich zu nichts weiter als einigen wenigen Versuchssendungen.

Das eröffnete Radio 10 die Möglichkeit, sich eine nicht mit Kompromissen behaftete Sendemöglichkeit auf Mittelwelle zu sichern und ab 2004 auf 1008 kHz zu senden. Die, wie es seinerzeit als weitere Referenz an alte Tage hieß, „volle kracht“ war allerdings auch mit entsprechend vollen Kosten verbunden.

Dies wurde zum Verhängnis, als potentielle Werbekunden dazu übergingen, nicht nur auf den Marktanteil von rund fünf Prozent, sondern immer stärker auch auf die demographische Zusammensetzung des Publikums zu schauen. Es befand sich überwiegend im Lebensalter über 50 Jahren, gehörte also nicht zur berüchtigten „werberelevanten Zielgruppe“.

Folge waren massive Einbrüche bei den Werbeeinnahmen, was 2007 entsprechende Konsequenzen hatte: Das Ende der Ausstrahlung auf Mittelwelle und die Trennung von einem erheblichen Teil der Belegschaft. Übrig blieb ein Programm mit nur noch zwei Moderatoren über Kabel, Satellit und Internet.

Für die Frequenz 1008 kHz fand sich nahtlos ein neuer Nutzer: Das Projekt eines neuen Missionssenders, Grootnieuws Radio. Er entschied sich für eine Ausstrahlung mit 200 kW, die nach unbestätigt gebliebenen Aussagen mit monatlichen Kosten von 70.000 Euro und einer zusätzlichen jährlichen Lizenzgebühr von 200.000 Euro verbunden war.

2008 stand die Nutzung der Frequenz deshalb bereits auf der Kippe. Die kurzfristige Einwerbung von 200.000 Euro wendete das „Aus“ dann doch noch ab.

Am 31. August 2015 beendete der niederländische öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Mittelwellenverbreitung ganz. Die zuletzt mit Radio 5 bespielte Frequenz 747 Hz wurde endgültig abgeschaltet. Zu diesem Zeitpunkt nutzten sie noch 250.000 Stammhörer, ein Viertel des Gesamtpublikums dieses nicht auf UKW ausgestrahlten Programms.

Damit war die Sendeanlage nur noch für Grootnieuws Radio vorzuhalten, wozu die staatliche Infrastrukturgesellschaft Novec nicht auf Dauer bereit war. Bemerkenswert ist dabei die unterbliebene Kommunikation: Nach eigenen Angaben erfuhr Grootnieuws Radio davon erst durch Medienanfragen.

Ein von Grootnieuws Radio erhobener Einspruch gegen die Abkündigung des Standorts brachte einen Aufschub. Die Frequenz 1008 kHz wurde „erst“ am 3. Januar 2019 um 22.57 Uhr (nach 24 Minuten stummem Trägersignal) abgeschaltet. Danach verlor Novec keine Zeit mehr: Die beiden Masten wurden sechs Tage später abgerissen.

Wer nun von dem Missionssender erwartete, die Vermarktung eines bestimmten Produkts der Unterhaltungselektronik zu unterstützen, erlebte eine Enttäuschung: Der (nicht mehr nachzulesende) Ratschlag an das Publikum war, einfach über das Internet oder ein mit den üblichen Diensten verbundenes Fernsehgerät zu hören.

Ganz so einfach abgehakt hat Grootnieuws Radio seine Ursprünge bis heute nicht: Zum Jahresende 2021 wurde wieder eine Top 1008 ins Programm genommen.

Mittelwellensender Zeewolde
So sieht diese Landschaft seit 2019 nicht mehr aus: Mittelwellenanlage bei Zeewolde | © Jan Joris Vereijken, CC

Ein Sprung zurück zur Mittelwelle 828 kHz und ins Jahr 2003: Hier folgten dem Umzug von Arrow Classic Rock auf 675 kHz zunächst zwei kurzzeitige Aktivierungen.

Einerseits gab es Tests eines Projekts, dem der Sender aber letztlich zu teuer war (dieses Radio Paradijs hantierte ansonsten mit einem Kleinsender auf 1584 kHz). Außerdem meldete sich ein temporäres Nostalgieprogramm von Seesenderfans. Ab 2004 stand die Sendeanlage in Heinenoord dann zunächst für vier Jahre still.

In der Zwischenzeit war Hitradio Veronica als Yorin FM zu RTL gekommen. 2006 fanden das niederländische RTL FM und Yorin FM ein ganz unsentimentales Ende. Die Technik der damit stillgelegten Sendestudios übernahm RTL Deutschland und setzte Teile davon in Halle/Saale ein.

Yorin FM wurde unter dem neuen Namen Caz von der SBS weitergeführt. Mit deren Übernahme durch Pro Sieben Sat 1 stand es schon wieder zum Verkauf. Arrow ergriff die sich so eröffnende Gelegenheit, sein Rockprogramm auf UKW zu bringen.

Caz existiert trotzdem noch heute: Es wurde von Arrow nicht eingestellt, sondern wiederum als Kabel- und Satellitenradio weitergeführt. 2008 ließ Arrow für Caz dann auch noch einmal die Mittelwelle 828 kHz einschalten.

2009 schlitterte Arrow in die Insolvenz. Da es die Lizenzgebühren nicht mehr zahlen konnte, verlor es seine UKW-Kette.

Deshalb wurde das Hauptprogramm noch einmal auf 828 kHz aufgeschaltet. Eine ständige Nutzung des Senders war jedoch nach wenigen Wochen nicht mehr möglich. Die Sanierung des Unternehmens brachte keine Rückkehr auf UKW oder Mittelwelle mehr.

2010 entschieden sich die Betreiber von Radio 10, doch noch einmal in bescheidenerer Form auf die Mittelwelle zurückzukehren. Damit begann der Kreis sich zu schließen, denn nun wurde das Programm auf den Sender Heinenoord aufgeschaltet.

Seine Vollendung fand der Zyklus schließlich 2013 mit dem diesmal tatsächlich erfolgreichen UKW-Start. Radio 10 zugewiesen wurde dafür nichts anderes als jene Kette, auf der bis 2009 Arrow gesendet hatte.

Auch über den einst geplatzten Deal ist inzwischen die Zeit hinweggegangen. Seit 2017 gehören sowohl Sky Radio, der seinerzeit vorgesehene Partner, als auch Radio 10 gemeinsam zur Gruppe Talpa Radio. Die Bespielung der UKW-Kette, um die es 2003 ging, läuft heute unter altbekanntem Namen: Radio Veronica.

Der Mittelwellensender Heinenoord hatte damit seine Schuldigkeit getan. Er wurde am 30. September 2013 abgeschaltet und fast genau ein Jahr später abgerissen.

Mittelwellensender Lopik/IJsselstein
Der von 2004 bis 2015 letzte noch verbliebene Mittelwellenmast in IJsselstein

Damit bleibt noch einmal ein Sprung zurück in der Zeit, und zwar zu der Frage, was nach ihrer Räumung durch Arrow aus der Mittelwelle 675 kHz wurde: 2008 startete hier Radio Maria Nederland.

Wie seinerzeit besonders betont wurde, hatte diese Neugründung nichts mit den katholischen Mitgliedern des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems der Niederlande zu tun, die seit 2016 mit einer anderen christlichen Rundfunkgesellschaft zur KRO-NCRV zusammengeschlossen sind.

Vielmehr handelt es sich um ein weltweites Netzwerk, das mit Radio Horeb auch in Deutschland aktiv ist. (Das reaktionäre Radio Maryja in Polen gehört nicht zu dieser Sendergruppe.)

Auf Mittelwelle, und zwar der monegassischen Frequenz 1467 kHz, startete 2007 auch schon Radio Maria France. Die auf die Tagesstunden beschränkte Übertragung lief nicht über den teuren Großsender Roumoules, sondern mit 40 kW von der Station Col de la Madone.

Radio Maria Nederland sollte eigentlich zunächst bescheiden als Internetradio anfangen. Die Möglichkeit, vom Start weg die Großmittelwelle 675 kHz zu nutzen, eröffnete sich als Überraschung.

Ihr Ende fand diese Ausstrahlung in der Nacht zum 1. September 2015 um 0.04 Uhr. Auch hier handelte es sich um eine vom Dienstleister (bis zuletzt der Nozema-Nachfolger KPN Broadcast) ausgesprochene Abkündigung, die offenbar in Zusammenhang mit dem Ende der Mittelwelle 747 kHz stand, der die alte Sendeanlage Lopik/IJsselstein bis zuletzt als Ersatzstandort diente.

Der letzte noch in IJsselstein verbliebene Mast soll bereits baufällig gewesen sein. Er verschwand jedenfalls noch schneller, als es dann bei der neueren Anlage Zeewolde geschah, nämlich am 4. September 2015 und damit nur 80 Stunden nach der Abschaltung des Senders.

Sender Lopik/IJsselstein
Mittelwellensender IJsselstein noch mit dem 2004 abgerissenen Nordmast; ganz rechts die UKW/TV-Anlage Lopik | © Rijksdienst voor het Cultureel Erfgoed

Der Rauswurf in IJsselstein änderte noch nichts an den Konditionen der Sendelizenz, die Radio Maria zur Nutzung der Mittelwelle 675 kHz verpflichtete. Folglich gab es hier auch keinerlei Abschiede, sondern ein ganz schlichtes Kappen des Trägersignals mitten im laufenden Programm.

Im April 2016 tauchte Radio Maria tatsächlich pflichtschuldigst noch einmal auf 675 kHz auf. Da der Neubau einer leistungsfähigen Sendeanlage zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht mehr in Betracht kam, geschah das mit einem Provisorium vom Dach des Klosters in Aarle-Rixtel bei Eindhoven.

Zwar beschränkte sich die Sendeleistung auf ein Kilowatt. Das reichte jedoch, um innerhalb des Gebäudes eine übergroße Feldstärke zu erzeugen, die zur Störung von elektronischen Geräten führte. Der Sender wurde deshalb, nachdem den Behörden anscheinend der gezeigte gute Wille ausreichte, im August 2016 wieder abgeschaltet.

Am 30. Oktober 2016 stellte dann auch Radio Maria France seine Ausstrahlungen auf 1467 kHz ein. Damit fand der Sendebetrieb auf der Station Col de la Madone insgesamt sein Ende.

Wieder vorbei ist es anscheinend auch mit der Mittelwelle 1485 kHz von Radio Maria România. Der Ende 2015 in Betrieb gegangene Kleinsender in Rotunda bei Roman wird nicht mehr verzeichnet.

Eine andere Station des Netzwerks ist hingegen unverändert auf Mittelwelle, und zwar auf 1053 kHz, aktiv: Radio Marija Sankt-Peterburg.

Kloster Aarle-Rixtel
Der letzte Senderstandort der Mittelwelle 675 kHz
Kasteel Croy, Aarle-Rixtel
... und noch ein Blick auf ein Kulturdenkmal in der Nähe: Das Kasteel Croy | © Rijksdienst voor het Cultureel Erfgoed

 

Autor: Kai Ludwig; Stand vom 29.12.2021