Country Radio mit 20 kW - Liblice 639 kHz in Betrieb

Sender Liblice
Die Mittelwellenmasten Liblice | © Juan de Vojníkov, CC

Mit einer Verzögerung von vier Wochen wurde es schließlich vollbracht: Seit dem 27. September ist der Mittelwellensender in Liblice, östlich von Prag, mit dem Programm von Country Radio noch einmal in Betrieb.

Die Sendetechnik war bereits im August installiert. Auf Rückfragen im Laufe des September, was nun aus der Sache wird, gaben der Sendernetzbetreiber Radiokomunikace keinen Kommentar und Country Radio den Verweis auf zuständige, im Dauerurlaub verschollene Mitarbeiter.

Bestätigt wurde hingegen schon im Vorfeld die Befristung des Ausstrahlungsvertrags bis 2026. Zu diesem Termin ist an der Antenne ein Austausch der Pardunen (Abspannseile) fällig. Eigentlich sollten die beiden Masten inzwischen ebenso verschwunden sein wie die Anfang 2022 verschrottete Großsenderanlage.

Dazu kam es nicht, weil der Sender Liblice als kritische Infrastruktur eingestuft wurde. Die Radiokomunikace erwartet deshalb von staatlichen Stellen die Finanzierung der Instandhaltung. Sollte diese Kostenerstattung nicht gewährt werden, will man die Masten wie geplant abreißen. Die Genehmigung dafür wird vorsorglich bereits beantragt.

Nach früheren Informationen wird die nochmalige Ausstrahlung auf 639 kHz mit 20 kW gefahren, angeblich erzeugt von einem zuvor in Deutschland eingesetzten, zum Schrottpreis erworbenen Sender. Angesichts der zu beobachtenden Signalstärke ist die Leistungsangabe plausibel. Zu berücksichtigen ist dabei die weitgehende Unterdrückung des Raumwellenanteils (siehe unten).

Schon seit Juli läuft Country Radio auf der ebenfalls bis Ende 2021 von Český Rozhlas genutzten Mittelwelle 954 kHz. Sie kommt jetzt mit 5 kW vom Sender Budweis, der zuvor auf 1071 und 1233 kHz aktiv war.

Ein Detail für Kenner: Sowohl auf 954 als auch jetzt auf 639 kHz hat die Übertragung von Country Radio nicht wieder den als „modern“ bezeichneten schrillen Klang (auch dazu siehe unten), der momentan noch auf der Frequenz 1062 kHz vom zur Schließung anstehenden Prager Sender Zbraslav zu hören ist.

Mit Informationen von Wolfgang Lill; Stand vom 01.10.2023


Die politische Diskussion dieses Themas hantiert mit Halbwahrheiten in Form eines Verweises auf Polen, wo man angeblich „ausgewählte Mittelwellen- und Langwellensender für den Bedarfsfall behält“. Tatsächlich sind dort die meisten Mittelwellenanlagen seit einem Vierteljahrhundert außer Betrieb und längst abgebaut, teils zurück bis zur grünen Wiese.

Bei der leistungsfähigsten Station in Koszęcin bei Częstochowa kam es noch zu einer Nachnutzung für Ausstrahlungen nach Belarus, die 2006 aber ebenfalls ihr Ende fand. 2014 verschwanden auch hier die Masten. Deshalb bleibt Polskie Radio für Auslandsprogramme auf Mittelwelle heute nur noch, Sendezeit in Litauen anzumieten.

Parallel zum Projekt Koszęcin lieferte Tesla Hloubětín (dieses Unternehmen wird heutzutage gern abschätzig beschrieben) für den traditionsreichen Standort Liblice eine identische, 1976 in Betrieb genommene Senderanlage.

Die neu aufgebaute Antenne wurde darauf ausgelegt, ausschließlich die auch tagsüber wirksame Bodenwelle zu erzeugen. Die Masten mit der für die Mittelwelle ungewöhnlichen Höhe von 355 Meter strahlten deshalb extrem flach ab. Noch in 190 Kilometer Entfernung war die in den oberen Atmosphärenschichten reflektierte Raumwelle um mindestens 8 Dezibel abgeschwächt.

Das führte zu Spekulationen über eine vermeintliche Reduzierung der Sendeleistung, die selbst in die Literatur getragen wurden. Tatsächlich lief die Anlage bis 2012 mit vollen 1500 kW. Danach waren es bis zur Einstellung des Betriebs am 31. Dezember 2021 immer noch 750 kW.

Auf 639 kHz übertragen wurde hier das traditionelle Hauptprogramm für den tschechischen Teil des einstigen Föderalstaates. Über Jahrzehnte trat es als Praha auf. Eine ab 2010 schleichend vorgenommene Umbenennung machte das Volldampf-Familienradio zu Dvojka.

DT64 Studio (© Matthias-Lindner)Reichweitenkarte des UKW-Netzes von DT64 am Moderatorenplatz | Matthias Lindner

Nach dem Systemausfall teilte Praha das Schicksal von DT64: Es hatte seine UKW-Frequenzen für den schnellstmöglich zu schaffenden kommerziellen Rundfunk zu räumen.

Das führte (im Gegensatz zur Slowakei) zum Aus für Regina, dem Mantelprogramm der Regionalsender. Wenn die Regionalprogramme liefen, blieb auch Praha nur noch die Mittelwelle, was der damalige Programmchef mit sportlichem Sarkasmus nahm: „Mono – das ist es.“

Es gelang nicht mehr, für Dvojka nochmals eine komplette UKW-Kette neu aufzubauen. So fehlt bis heute eine Frequenz auf dem bis nach Brandenburg einstrahlenden Sender Zinkenstein / Buková hora.

Dennoch hatte Praha/Dvojka von 2004 bis 2016 abends sechs Stunden Sendezeit auf Mittelwelle abzutreten. Dabei ging es um das einstige tschechische Programm von Radio Free Europe / Radio Liberty, dessen Frequenzen (Holzkirchen 720 kHz und verschiedene Kurzwellen) bis 1988 massiv gestört wurden.

1990 schritt man aus Dankbarkeit zum Gegenteil: Der noch föderale tschechoslowakische Rundfunk übernahm das RFE/RL-Programm auf 1287 kHz und opferte dafür die Mittelwellenverbreitung seines eigenen Auslandsdienstes.

Der von 1995 bis 2002 genutzte Studiostandort Praha-Vinohrady, Dykova 14 | ŠJů, CC

Daraus erwuchs 1995 eine Kooperation. Fortan wurde das Projekt als sechstes Programm von Český Rozhlas geführt und erhielt noch weitere Sender auf 1071 und 1233 kHz. 2002 zog RFE/RL sich schließlich zurück.

Danach enthielt das Programm auch Sendungen des Auslandsdienstes, Radio Prag, der somit nach zwölf Jahren noch einmal auf die Mittelwelle zurückkehrte.

Die Freude währte jedoch nicht lange. 2004 gab Český Rozhlas das gesonderte Mittelwellennetz auf. Zugleich entfielen auch die letzten der einst in größerer Zahl von den Regionalstudios genutzten Mittelwellen.

Für Radio Prag war das der Anfang vom völligen Ende der terrestrischen Verbreitung. Eine massive Kürzung der vom Außenministerium bereitgestellten Mittel führte 2011 zum Entfall auch der Ausstrahlungen über die Kurzwellensender der Station Pohodlí bei Litomyšl.

Dem heutigen Plus seinerseits blieben nur noch die abendlichen sechs Stunden auf den Dvojka-Mittelwellen, bis Český Rozhlas 2015 die Erlaubnis erhielt, auch dieses Programm auf UKW auszustrahlen. Dafür hatte in bekannter Weise das Kulturprogramm Vltava fünf seiner Frequenzen abzutreten.

Zur Stopfung der Lücken, deren Abdeckung auf UKW nicht gelang, ging außerdem die Mittelwelle 1071 kHz nach einem Jahrzehnt in bescheidener Form (zwei Sender mit jeweils 5 kW) noch einmal in Betrieb.

Langwellensender Topolná (Foto anonym via Wikipedia)

Exakt mit Ablauf des Jahres 2021 beendete Český Rozhlas das Thema AM-Rundfunk insgesamt. Das betraf neben den Mittelwellen 639, 954, 1071 und 1332 kHz (darunter auch der Sender Karlsbad mit ausgeprägter Einstrahlung nach Deutschland) außerdem noch die Langwelle.

Von deren Abschaltung gibt es ein sehr spezielles Video. Es stammt von einem slowakischen Sammler, was darauf weist, warum es das Thema verfehlte, in einem Fernsehbeitrag auch dazu DAB-Radios als vermeintliche Alternative zu präsentieren.

Denn hier ging es um ein Programm, das tatsächlich für die gesamte Tschechoslowakei bestimmt war. Von 1970 bis 1989 präsentierte es sich stramm ideologisch als Hvězda („Stern“), davor und danach als Československo. Einzelne Sendungen kamen aus Bratislava, auch die in Prag produzierten Teile des Programms wurden teilweise in Slowakisch gesprochen.

Mit der, um es beim Namen zu nennen: Sezession der Slowakei erledigte sich das. Český Rozhlas führte das Programm allein weiter, versah es mit dem aus der Frühzeit des Rundfunks stammenden Namen Radiožurnál und beließ es unverändert auf seiner flächendeckenden UKW-Kette.

Ursprünglicher Verbreitungsweg von Československo war die Langwelle. Der zentral in der damaligen Föderation aufzubauende, 1951 in Betrieb genommene Sender fand seinen Platz zwischen Uherské Hradištĕ (Ungarisch Hradisch) und Napajedla, beim Dorf Topolná. Dieser Standort ist von Bratislava nur halb so weit entfernt wie von Prag.

Hier entstanden zwei jeweils 270 Meter hohe Masten, um das Signal bevorzugt in die am weitesten entfernten Regionen der Tschechoslowakei zu richten. Die ursprüngliche, 400 kW starke Technik wurde 1978 wiederum durch eine Doppelsenderanlage mit 1500 kW ersetzt.

Nachdem der Langwellensender eigentlich seine Schuldigkeit getan hatte (Radiožurnál lief bis 1995 ergänzend auch noch auf Mittelwelle), sollte er bereits mit Ablauf des Jahres 1993 für immer abgeschaltet werden. Doch das führte zu massiven Protesten, insbesondere der weiterhin recht zahlreichen slowakischen Freunde des Programms.

Nach zwei Aufschüben (bis Ende Januar bzw. Ende Februar 1994) nahm Český Rozhlas den Abschaltplan schließlich zurück. Es kam lediglich zur Einführung einer nächtlichen Sendepause und einer Absenkung der Sendeleistung auf 750, später 650 und schließlich 350 kW.

Es gab sogar Bestrebungen, auf 270 kHz auch die Auslandssendungen insbesondere in deutscher Sprache auszustrahlen. Das scheiterte hauptsächlich an der ungeklärt gebliebenen Frage, wie solche Übertragungen des gesondert vom Außenministerium finanzierten Radio Prag abzurechnen wären.

Sender Burg
Archivbild: In diesem Container arbeitete von 1996 bis 2000 das später in Topolná eingesetzte Sendegerät | Kai Ludwig

2014 sollten finanzielle Engpässe erneut zum Ende der Langwelle 270 kHz führen. Doch auch zu diesem Zeitpunkt hatte sie immer noch eine Anhängerschaft in der Slowakei, die der damalige Intendant nicht einfach enttäuschen wollte.

Die Lösung fand sich in Deutschland. Hier stand ein kleiner Langwellensender mit 50 kW herum, der 1996 schon einmal einen Tesla-Sender, hier der Bauart DRV 200, abgelöst hatte.

Das betraf die Sendestation Burg bei Magdeburg, wo Radioropa die Rundfunkfrequenz der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, 261 kHz, übernommen hatte und sich die volle Sendeleistung von 200 kW von vornherein nicht mehr leisten konnte. Auch so war es Ende 2000 damit vorbei.

Es gibt noch eine weitere Verbindung zu Radioropa: Von 1993 bis 1996 lief dessen Programm auch über die Kurzwellensender in Pohodlí. Die Frequenz 5980 kHz geisterte danach noch viele Jahre mit diesem Programmnamen durch die ab Werk vorbelegten Speicher der Radios eines taiwanischen Herstellers.

Hier zu sehen ist, wie der Sender aus Burg in Topolná vor die (zuletzt schon nicht mehr betriebsfähige) Großsenderanlage gestellt wurde. Ein unter dem Beitrag hinterlassener Kommentar beklagt dazu den schrecklichen Klang der Ausstrahlung.

Dieser hatte allerdings nichts mit dem Transistorsender zu tun, sondern ging auf das Konto eines solchen Geräts. Eine gemäßigtere Variante der schrill-überkomprimierten Modulation wurde 2012 auch beim Sender Liblice eingeführt und entwickelte sich zum Standard des tschechischen AM-Rundfunks.

Langwellensender Topolná (Foto anonym via Wikipedia)

Nach der Einstellung des Sendebetriebs stieß die Radiokomunikace auf vergleichsweise geringen Widerstand gegen den Abbruch der Antenne und konnte deshalb am 28. Juli 2022 zur Tat schreiten.

Danach stand Aussage gegen Aussage: Der Bürgermeister erklärte, die Gemeinde Topolná habe keine Kenntnis von der Sprengung gehabt und die Sendestation eigentlich als Denkmal erhalten wollen. Dem widersprach die Pressesprecherin der Radiokomunikace und erklärte, man habe ordnungsgemäß eine Genehmigung für den Abbruch beantragt.

Mit dem Beginn des Jahres 2022 beschränkte sich der AM-Betrieb bei der Radiokomunikace zunächst auf die Frequenz 1062 kHz und einen digitalen Betriebsversuch auf der jetzt ebenfalls von Country Radio genutzten Frequenz 954 kHz.

Für Verwirrung sorgte die zeitweise in diesem Signal mit übertragene Kennung „Elsyscom“: Unter dieser Firmierung werden die transistorisierten AM-Sender der untergegangenen Telefunken Sendertechnik heute von Teltow aus angeboten.

 

Beitrag von Kai Ludwig