Ein Blick auf die aktuelle Situation - AM-Rundfunk in Bulgarien

Sender Padarsko
Einige der 2012 abgerissenen Kurzwellenantennen in Padarsko | © Ivo Ivanov

Ereignisarm verlief in den letzten Jahren der Restbetrieb des AM-Rundfunks in Bulgarien. Verblieben sind noch ein Sender auf Mittelwelle sowie einige Ausstrahlungen auf Kurzwelle.

Um ein eigenes Auslandsradio von Bulgarien geht es dabei nicht mehr. Der Einstellung von dessen terrestrischer Verbreitung wäre 2017 fast die Auflösung der Redaktion gefolgt. Nur mit Mühe gelang es, das abzuwenden und eine Onlinepräsenz in Fremdsprachen, eingeschlossen Deutsch, zu erhalten.

Die leistungsfähigste Sendestation in Padarsko bei Plovdiv wurde zuvor am 31. Januar 2012 endgültig abgeschaltet. Radio Bulgarien, das frühere Radio Sofia, war ihr einziger Nutzer, seit 1993 die Ausstrahlungen von Radio Moskau entfielen und es anschließend nur wenige Jahre gelang, Sendezeit an die Voice of America zu verkaufen.

Mit der Einstellung des Betriebs wurde die Belegschaft in die Arbeitslosigkeit entlassen. Wenige Monate später machte man sich an die Verschrottung der Antennen und der Technik. Zurück blieben die „entkernten“ Bauhüllen.

Die Schrotterlöse sollen die Abbruchkosten deutlich überstiegen haben, weshalb manche hier ein vorbildliches Beispiel für den Umgang mit ausgedienten Sendeanlagen erkennen wollten. Danach sieht es allerdings nicht aus: Die in die Wüste geschickten Techniker berichteten von massiven Veruntreuungen.

Die Sendestation Padarsko entstand in zwei Bauabschnitten bis 1974 bzw. 1980. Ihr Prunkstück war eine drehbare Antenne jener Bauart, wie sie heute noch auf der Sendeanlage Grigoriopol vorhanden ist und demnächst wieder zur Verfügung stehen soll.

Wie es in den ausgeweideten Bauten heute aussieht, zeigt ein Film von Radio Free Europe / Radio Liberty. Dessen Autoren interessierten sich (wie analog auch bei anderen Gelegenheiten zu beobachten) nicht für den bulgarischen Rundfunk, sondern nur für einen anderen Raum, der mit der bis 1988 praktizierten Störung der Programme insbesondere von RFE/RL zu tun hatte.

Das dabei fallende Wort „Blitzschlag“ bezieht sich auf Sender einer im russischen Original als „Molnija“ bezeichneten Bauart mit 15 kW Leistung. Heute läuft ein solcher Sender, in offenbar erbarmungswürdigem Erhaltungszustand, noch in Bischkek auf 5130 kHz.

Der fragliche Raum in Padarsko dürfte in etwa so ausgesehen haben wie diese Installation in Sankt Petersburg (dort in der uliza Tschapajewa 26).

Sender Kostinbrod
Kostinbrod mit Kurzwellenantennen | © Kiril Kapustin, imagesfrombulgaria.com

Anders als in Padarsko entwickelten sich die Dinge auf der alten Sendestation Kostinbrod bei Sofia. Ein halbes Jahr nach der Abschaltung von Radio Bulgarien begannen hier unvermutet erneute Ausstrahlungen.

Den Anfang machte ein Projekt aus der deutschsprachigen Region von Belgien. Es würde zu weit führen, auch die anderen inzwischen verschwundenen Sendungen aufzulisten.

Sender Kostinbrod
Das Senderhaus in Kostinbrod

Eine Zäsur brachte der Dezember 2022 mit einem völligen Ausfall von mehr als einer Woche, sibyllinisch begründet mit „Schwierigkeiten in der Stromversorgung“. Danach erschien einigen Programmveranstaltern der Standort nicht mehr so attraktiv, wie es die niedrigen Preise nahelegten.

Die Vorgänge in Padarsko und Kostinbrod reihen sich ein in ein großes Bild, das in Bulgarien (und das gilt analog auch für Rumänien) deutlich anders gesehen wird als im Ausland. Zitiert sei dazu, wie eine Person, die mit bulgarischen Stellen zu tun hat, ihre private Meinung formulierte:

„Das ist wie in der Zone: Die Fassade ist schön gestrichen und dahinter ist alles Asche. Aber das kann in den Medien so nicht kommen, weil es nicht der offiziellen Sprachregelung entspricht.“

Mit weitem Abstand größter Sendekunde in Kostinbrod ist die Gefolgschaft des 2021 verstorbenen US-Radiopredigers R.G. Stair, der offenbar genug Geld und Spender hinterlassen hat, um die Verbreitung seines Hörfunkkanals bis heute in vollem Umfang fortzusetzen.

Hinterlassen hat Stair dafür auch einen großen Bestand an Aufzeichnungen. Man sollte sich durch deren Verwendung nicht irritieren lassen: Vor Jahrzehnten klang die Stimme von Stair ganz anders als zuletzt.

Bei den Ausstrahlungen aus Kostinbrod gab es schon länger keine größeren Änderungen mehr. Wenn es dabei bleibt, dürfte das Schema ab dem 29. Oktober 2023 somit einfach wieder eine Stunde früher liegen (wobei die angegebenen Ein- und Ausschaltzeiten ohnehin nicht genau eingehalten werden):

07.00-10.00 Uhr: 9400, 11600, 13800 kHz
17.00-20.00 Uhr: 15400 kHz
18.00-19.00 Uhr: 11600 kHz
17.00-(21.45) Uhr: 9400 kHz
22.00-06.00 Uhr: 5900 kHz

Zweitgrößter Sendekunde ist jetzt Radio Taiwan International. Nachdem auch die jüngste Kürzung von dessen terrestrischen Ausstrahlungen daran nichts geändert hat, dürften die Sendungen zum 29. Oktober ebenfalls nur eine Stunde zurück wandern.

19.00-19.30 Uhr: 5900 kHz; Russisch
21.00-21.30 Uhr: 5900 kHz; Deutsch
21.00-21.30 Uhr: 6005 kHz; Französisch
22.00-22.30 Uhr: 6005 kHz; Russisch

Jeweils eine Stunde Sendezeit am Tag bestellen in Kostinbrod zwei weitere Programmveranstalter.

Von 20.00 bis 21.00 Uhr sendet auf 7290 kHz der Italian Radio Relay Service, der auf Kurzwelle ansonsten aus Rumänien aktiv ist. Der aus Bulgarien abgestrahlte Programmblock ist für West- und Mitteleuropa bestimmt, er folgt deshalb den Zeitumstellungen und bleibt auch stets auf dieser Frequenz.

Radio Erena kommt von 19.00 bis 20.00 Uhr auf 11810 kHz. Dieses Programm für Eritrea dürfte vom 29. Oktober an wieder auf 18.00-19.00 Uhr rücken. Die an dieser Stelle formulierte Vermutung, das könnte mit einer Änderung der Frequenz einhergehen, hatte sich für den Winter 2022/2023 nicht bestätigt.

Von der Unterbrechung des Betriebs im vergangenen Dezember besonders betroffen war die BBC. Sie konnte es nicht einfach dabei bewenden lassen, sondern sah sich gezwungen, schnellstens Ersatzschaltungen zu organisieren.

Diese wurden auch nicht mehr rückgängig gemacht. Aus Kostinbrod kommen somit nur noch 30 Minuten BBC-Programm am Tag, und zwar Französisch für Afrika von 20.00 bis 20.30 Uhr auf 13720 kHz. Es ist nicht absehbar, wie man in London im kommenden Winterhalbjahr weiter vorgehen wird.

Sender Vakarel
Die inzwischen eliminierten Mittel- und Langwellenantennen in Vakarel | © Anton Lefterov, CC-BY-SA

Vom Lang- und Mittelwellenrundfunk ist in Bulgarien noch eine Frequenz übrig. Alle anderen Anlagen wurden in zwei Wellen 2010 bzw. 2014 außer Betrieb genommen und wie die Kurzwellenstation Padarsko eliminiert. Bemühungen, den traditionsreichen Sender Vakarel bei Sofia museal zu erhalten, hatten keine Chance.

Mittelwellensender des VEB Funkwerk Köpenick
Hier als Museumsexponat in Königs Wusterhausen: Mittelwellenanlage 250 kW des VEB Funkwerk Köpenick | © Kai Ludwig

Besonders bemerkenswert ist die 1954/1955 gebaute Station bei Pleven. Sie erhielt einen Sender der bekannten, 250 kW starken Bauart des Funkwerks Köpenick. Auch die Antennenanlage mit zwei Rohrmasten und einer Dreieckflächenantenne war als Lieferung aus der DDR unverkennbar.

1995 übernahm ein möglicherweise noch vor der Umbenennung von Leningrad im dortigen Betrieb Maschinopriboj gefertigter Sender die Ausstrahlung auf 594 kHz. Somit war die Köpenick-Anlage in Bulgarien noch zwei Jahre über die Abschaltung der letzten derartigen Installationen in Deutschland hinaus aktiv.

Sender Gramada/Vodna
Sender Gramada/Vodna bei Vidin; links Antenne 576 kHz, rechts Antenne 1224 kHz | © Alsnie, CC
Bulgarien
© Sammlung University of Texas

Letzter, bis heute aktiver Mittelwellensender in Bulgarien ist die 1973 eröffnete Station Vidin/Vodna, von sowjetischen Lieferanten ausgestattet mit zwei jeweils 500 kW starken Sendern, einer Viermastantenne für Auslandssendungen und einem Rundstrahler für die Inlandsversorgung.

Die Auslandsfrequenz 1224 kHz ist seit 2012 stillgelegt. Für die Inlandsfrequenz 576 kHz fiel hingegen die Entscheidung, sie als einzige Mittelwelle zu behalten. Folglich erhielt die Station dafür 2013 einen neuen Transistorsender französischer Bauart.

Dahinter steckte einzig die Idee, mit der besonders niedrigen Frequenz trotz des Standorts im äußersten Nordwesten des Landes einen möglichst großen Teil von Bulgarien abzudecken. Die erhebliche Einstrahlung nach Serbien und Rumänien spielt keine Rolle; für Programme in bulgarischer Sprache gibt es dort kein Publikum.

Tombul-Moschee Shumen
Die Tombul-Moschee in Shumen | © Wikipedia/ANUBIS76, CC-BY-SA

Ab 2015 sollte der Sender Vidin die anderen Mittelwellen auch für das Programm in türkischer Sprache ersetzen. Die mehr als 250 Kilometer entfernten Siedlungsgebiete dieser Minderheit ließen sich so aber wirklich nicht mehr versorgen. Es blieb deshalb nichts anderes, als die Sendungen bis 2016 auf zwei neue UKW-Frequenzen in Shumen und Kardzali umzuziehen.

Somit läuft auf 576 kHz heute durchweg das Leitprogramm Radio Horizont. Die Sendeleistung ist seit 2022 auf 270 kW eingestellt.

Die Sendungen in türkischer Sprache starteten nicht erst mit dem Ende der über Jahrzehnte betriebenen Assimilierungspolitik. Deren Produktion in Sofia begann bereits 1956.

Sogar schon davor entstanden solche Sendungen im Funkhaus Varna. Dort mündete das 1962 in die während der Sommersaison ausgestrahlten Fremdsprachenprogramme für Touristen (in der Vergangenheit mit Deutsch, Englisch und Französisch, heute Englisch und Russisch).

 

Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 03.09.2023