Rückblick - Die letzte Langwellenanlage in Felsberg

Sender Felsberg
Alte Senderhalle in Felsberg mit gekappten Antennenleitungen | | © Jakob Roschy

Von 2015 bis zur endgültigen Abschaltung am 31. Dezember 2019 lief die Langwelle 183 kHz in Felsberg bei Überherrn mit einer besonderen Lösung. Ohne deren Umsetzung durch die luxemburgische RTL-Technikfirma BCE wäre das „Aus“ hier Jahre früher gekommen.

Der Grund liegt in dem, was der „Spiegel“ schon in den 50er Jahren als „abgelegenen, pompösen Sendepalast“ verspottet hatte: Einem selbst für eine 2000 kW starke Senderanlage alter Bauart völlig überdimensionierten Gebäude.

Die Bereitschaft des Betreibers Lagardère, sein Geld in solche nutzlose Repräsentation zu stecken, schwand vollends, als 2012 die Hauptantenne einen ihrer vier Masten einbüßte. Sie wurde nicht wieder komplettiert, sondern umgekehrt 2013 durch Sprengung eines weiteren Mastes noch einmal als Zweimastsystem nutzbar gemacht.

Sender Felsberg
Einfahrt der Sendestation, dahinter das Zubehör des 2013 gesprengten Mastes | © Jakob Roschy

Als Alternative zur umgehenden Einstellung des Betriebs entwickelte BCE eine Lösung zur rigorosen Trennung von dem grotesken Senderpalast. Somit war es noch nicht das Ende der Langwelle 183 kHz, als die alte Sendeanlage am 19. Oktober 2015 um 8.21 Uhr endgültig ausgeschaltet wurde.

Sender Felsberg
© Jakob Roschy

Vielmehr entstand ein Leichtbau im Format eines Einfamilienhauses. Das reichte für eine 1500 kW starke Senderanlage jener Bauart, wie sie BCE zuvor auch schon für die Langwellenstation Beidweiler in Luxemburg (234 kHz) beschafft hatte.

Auch von außen zu erkennen war das an den Zellen der Transformatoren für die Stromversorgung aus dem Mittelspannungsnetz (20 kV): Sie erzeugten die Sonderspannung 210 Volt, mit denen die jetzt aus Teltow vertriebenen Sender der Bauart TRAM arbeiten.

Sender Felsberg© Jakob Roschy

Aufgebaut wurde die neue Technik an der Reserveantenne, ohne die es nach dem Masteinsturz von 2012 unweigerlich zum langfristigen oder bereits finalen Sendeausfall gekommen wäre. Auch das hatte seinen Grund in der Räumung des alten Gebäudes.

Dort befanden sich in einem Anbau an der Nordseite die Einrichtungen zum Regeln von Strom und Phase der Antennenspeisung. Auf die vier Masten der Hauptantenne wurden dabei 2, 56, 41 bzw. 1 Prozent der Sendeenergie aufgeteilt.

Dadurch lag, bezogen auf den Träger, die effektive Strahlungsleistung in Richtung Frankreich beim Dreifachen der Sendeleistung. Nach hinten, in Richtung DDR, wurde hingegen nur ein Tausendstel abgestrahlt.

In den Seitenbändern wirkte die Antenne jedoch schon deutlich anders. Dadurch traten in der hinteren Richtung, beginnend beim Ende des Nahfelds wenige Kilometer um die Sendeanlage, erhebliche Verzerrungen auf. Das war von bundesdeutscher Seite auch durchaus erwünscht, da der Sender keinerlei Publikum in Deutschland selbst ansprechen sollte.

Sender ZehlendorfAntenne des Senders Zehlendorf | © Kai Ludwig
Sender ZehlendorfZehlendorf; Sender 177 kHz (500 kW; rechts) und 693 kHz (250 kW, links) | © Kai Ludwig
Sender ZehlendorfDetail des 1999 installierten neuen Senders | © Kai Ludwig

Durchaus erwünscht war ebenso, ab 1955 den Sender Felsberg auf der gleichen Frequenz wie den Deutschlandsender des Rundfunks der DDR arbeiten zu lassen. Die gegenseitigen Störungen blieben jedoch untragbar. Das mündete in ein gegenseitiges Ausweichen in immer wieder geänderter Konstellation.

Den finalen Stand brachte 1986 eine Verschiebung des Kanalrasters, nach der die Sender Felsberg und Zehlendorf (bei Oranienburg) eigentlich beide hätten auf 180 kHz senden müssen. Doch dazu kam es nicht; letzte Frequenzen wurden vielmehr 183 kHz in Felsberg und 177 kHz in Zehlendorf.

Als das Deutschlandradio seine Ausstrahlungen auf Langwelle am 31. Dezember 2014 beendete (danach gab es mit der Sendeanlage in Zehlendorf noch kurzzeitige technische Experimente), kursierte in Frankreich das Gerücht, der Sender Felsberg werde nun auf seine Sollfrequenz umgestellt. Das geschah jedoch nicht.

Sender Felsberg© Jakob Roschy

Auch die neue Senderanlage wurde somit wieder für die Frequenz 183 kHz eingerichtet. Dabei machte man mit der alten Hauptantenne das, was sich ohne zusätzlichen Aufwand noch machen ließ: Die Möglichkeit erhalten, einen ihrer Masten gegebenenfalls als Notantenne zu nutzen.

Dazu wurde die Leitung zur einstigen Reserveantenne aufgetrennt. Auf diese Weise konnte die neue Senderanlage einerseits in diese Antenne, andererseits auch in den nordöstlichen der ab 2013 noch verbliebenen Masten der einstigen Hauptantenne speisen. Der andere Mast wurde stillgelegt.

Sender FelsbergDie am neuen Technikgebäude in zwei Abgänge aufgetrennte Reusenleitung | © Jakob Roschy

Den Anfang vom Ende brachte im November 2019 ein dreitägiger Abschaltversuch. Seinerzeit hieß es, man habe erstaunlich wenige Rückfragen von Hörern erhalten. Nach anderen Quellen war die tatsächliche Zahl nicht ganz so klein. Es habe sich jedoch hauptsächlich um Personen aus dem ländlichen Raum gehandelt.

Plausibel wäre das. Kurz zuvor war die Existenz einer Hörerdatenbank bekannt geworden, die dokumentierte, was Europe 1 von seinem Publikum hält. Es fanden sich Einträge wie „Akzent eines Juden aus Tunesien“, „Stimme eines alten Idioten“, „hat Krankheiten“, „Alkoholiker“, „HIV-Infektion“.

Inzwischen scheint man das Konzept entwickelt zu haben, sich bei den „Idioten“, auf die so offensichtlich herabgeblickt wird, mit der Präsentation von Rechtspopulisten anzubiedern (als Beleg: hier ein Beispiel).

Sender FelsbergZuletzt als Notantenne nutzbar gewesener Mast der einstigen Hauptantenne; dahinter der Anbau mit der alten Antennenverteilung | © Jakob Roschy

Keine Überraschung mehr war unter diesen Umständen, wie Europe 1 erste Meldungen über eine Einstellung des Langwellenbetriebs noch am 10. Dezember 2019 als „Fakenews“ diffamierte.

Erst zum 23. Dezember rang man sich dazu durch, individuelle Nachfragen mit einer Bestätigung zu beantworten. Auf jede weitergehende Kommunikation wurde verzichtet und ganz schlicht am 31. Dezember 2019 um 23.28 Uhr mitten im Satz der Träger gekappt.

Was danach aus der reichliche vier Jahre genutzten Sendetechnik wurde, ist nicht mehr gemeldet worden. Die letzten vier Masten verschwanden im Herbst 2020 aus der Landschaft.

Sender FelsbergDer ab 2015 stillgelegt gewesene Mast der alten Hauptantenne | © Jakob Roschy

Mehr zum Thema enthalten diese Seiten. Aktuelle Eindrücke aus der Glashalle, mit Bildern der dort zuletzt betriebenen Sendetechnik (es gab offensichtlich noch eine Modernisierung, nach der die 1975 installierten Sender nur als Reserve verblieben waren) bietet ein Besuchsbericht.

 

Beitrag von Kai Ludwig