Estland und Armenien - Zusätzliche Mittelwellen für Radio Liberty

Radio Swoboda, tschastoty: 864 kHz, 1035 kHz, 1386 kHz
Nicht ganz korrekte Angaben, siehe unten im Text | © svoboda.org

Eigentlich hatte der Auslandsrundfunk der USA für weite Teile des postsowjetischen Raums (ausgenommen sind Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan) bereits weitgehend mit dem Verbreitungsweg AM abgeschlossen. Jetzt gibt es aber doch noch zusätzliche Mittelwellen-Sendeplätze für das russische Programm von Radio Free Europe / Radio Liberty.

Zusätzlich aufgeschaltet ist das Programm, bezogen auf Mitteleuropäische Sommerzeit, für jeweils eine Stunde ab 16.30 Uhr auf der Frequenz 864 kHz in Armenien und ab 20.00 Uhr auf der Mittelwelle 1035 kHz in Estland.

Die Mittelwelle 864 kHz war zuletzt ausschließlich für Trans World Radio in Betrieb. [Nachtrag: TWR beschränkte deren Nutzung gerade auf einen Sendeblock von 19.10 bis 19.55 Uhr, der nur noch Beiträge in Turkmenisch, Kasachisch und Karakalpak enthält. Die russischen und usbekischen Segmente sind entfallen.]

2022 hatte es schon einmal Übertragungen des russischen Programms von RFE/RL über die Mittelwellensender in Armenien gegeben. Sie gehörten zu Bemühungen, RFE/RL mit extern organisierten Ausstrahlungen zu einer Erweiterung seines AM-Dienstes zu bewegen.

Mit diesen Sendungen aus Armenien und Bulgarien war es jedoch bald wieder vorbei. Übrig ist von der damaligen Kampagne nur noch eine Unterstützung des Projekts, die einstige Kurzwellenstation von Family Radio in den USA als Radio Miami International am Leben zu halten.

Radio Eli
Der Mittelwellensender bei Tartu | © Radio Eli
Segnung des nachgerüsteten zweiten Senderblocks

Der AM-Betrieb in Estland wiederum hat schon seit 1998 nichts mehr mit Eesti Radio zu tun. Einige Andenken konnten noch aus der Sendestation Laitse bei Tallinn herausgeholt werden, bevor die Verschrottung begann. Danach blieb das Objekt sich selbst überlassen.

Für die Mittelwelle 1035 kHz wurde ein russisches Religionsprogramm des evangelikalen Pereraadio als neue Nutzung festgelegt. Für dieses Radio Eli ging 2001, zunächst mit einem gebrauchten Röhrensender aus den USA, eine neue Sendeanlage bei Tartu in Betrieb.

2008 erhielt sie einen 100 kW starken Transistorsender der Telefunken-Bauart. 2010 stieg Trans World Radio mit bei Pereraadio ein. Um die Frequenz zur Übertragung deer TWR-Programme mit verdoppelter Leistung betreiben zu können, erhielt die Senderanlage einen zweiten Block.

Zum Ende des Jahres 2019 zog TWR sich wieder zurück. Damit verlor Radio Eli ein Drittel seines Budgets. Um das Mutterprogramm auf UKW davor zu bewahren, mit in den Abgrund gerissen zu werden, wurde der Verbund aufgehoben.

Eigentlich wollte TWR sich mit seinen russischen, ukrainischen und weißrussischen Programmen auf die bekannte Mittelwelle Grigoriopol 999 kHz konzentrieren.

Mit deren Nutzung war es im April 2022 jedoch auf einmal vorbei. Fortan rollte aus Moskau der Rubel für eine (nach dem Ende von Energiesparmaßnahmen auch jetzt wieder) rund um die Uhr mit vollen 1000 kW laufende Übertragung von Radio Rossii.

Das bedeutete nicht etwa den Rauswurf von TWR: Die zwei Stunden Balkan-Programm auf der (aus antennentechnischen Gründen nicht für andere Zwecke geeigneten) Frequenz 1548 kHz blieben davon unberührt.

Auch russischsprachige Produktionen kamen nach kurzer Unterbrechung wieder aus Grigoriopol. Dafür gebucht wurde eine Stunde auf der Frequenz 621 kHz, die allerdings eine geringere Sendeleistung und entsprechend eingeschränkte Reichweite hat.

Ein Kompensationsversuch war die nochmalige Aufnahme von Übertragungen auf Kurzwelle, allerdings nicht wieder, wie bis 2016, aus Deutschland und Österreich (von der damaligen Abschaltung waren auch noch Polnisch und Ungarisch betroffen).

Herangezogen wurde stattdessen die eigene Sendestation von TWR im weit entfernten Guam. Der Versuch fand jedoch nach einem halben Jahr sein Ende.

Anders verhält es sich mit der ebenfalls wieder aufgenommenen Nutzung des Senders von Radio Eli. Auf eine Nennung von Sendezeiten sei hier verzichtet, denn das veröffentlichte Programmschema wird offensichtlich nicht auf dem aktuellen Stand gehalten.

Hinfällig ist insbesondere die noch immer angegebene Beschränkung der Sendezeit auf sieben Stunden am Abend. Sie war im Herbst 2021 eingeführt worden, da Radio Eli sich schon damals mit einer Vervierfachung des für Elektroenergie zu zahlenden Preises konfrontiert sah. Seit März 2022 läuft der Sender wieder rund um die Uhr.

Missionswerk Friedensstimme, Media Broadcast Nauen
© Sammlung freerutube.info

Zumindest im veralteten Sendeschema von Radio Eli finden sich auch Produktionen aus Deutschland: Vom Missionswerk Friedensstimme der Evangeliums-Christen-Baptisten.

Das ist eine Gründung von Aussiedlern aus der Sowjetunion, welche die von ihnen angetroffenen Religionsgemeinschaften, auch die Baptistengemeinden, als „zu lasch“ empfanden. Charakteristisch ist ein ausgeprägter Fatalismus, der 2020 einen Gottesdienst zur Massenansteckung werden ließ.

Ab 2003 hatte das Missionswerk Friedensstimme die über Radio Eli verbreiteten Produktionen auch über die Kurzwellensender bei Nauen ausgestrahlt, sowohl für die Regionen westlich des Ural als auch für Sibirien. Geldmangel zwang im Frühjahr 2020 zur Einstellung dieser Übertragungen.

Verzeichnet sind bei Radio Eli außerdem Sendeplätze der US-amerikanischen Stimme der Märtyrer, ansonsten bekannt durch auf Kurzwelle ausgestrahlte Sendungen für Nordkorea, die Malediven und China.

Dabei geht es um das in der Russischen Föderation seit 2020 geltende Gesetz „gegen illegale Missionstätigkeit“. Dessen Anwendung trifft nicht nur Muslime, sondern auch Baptisten und in geringerem Ausmaß auch Protestanten.

Die derzeit hinterlegte Fassung des Programmplans für russische Sendungen von RFE/RL ist ihrerseits nicht sonderlich treffend, wenn sie von einer „Wiederausstrahlung“ auf 1386 kHz spricht und damit den alten Begriff des „Relais“ wieder aufgreift: Eigene AM-Sendungen gibt es seit 2016 nicht mehr.

Vor allem beschränkt sich die Übertragung jetzt auf den Zeitraum von 20.30 bis 23.00 Uhr. Die halbe Stunde ab 20.00 Uhr hat RFE/RL im vergangenen Juli an die Deutsche Welle abgetreten.

Nastojaschtscheje Wremja
Studio von Nastojaschtscheje Wremja in Washington | © RFE/RL

Seit 2017 betreibt RFE/RL gemeinsam mit der Voice of America auch ein russischsprachiges Fernsehprogramm, Nastojaschtscheje Wremja. Bei der häufigen Wiedergabe als „Current Time“ geht verloren, worauf dieser Name anspielt: Auf die seit langem bekannte Nachrichtensendung von Zentralnoje Telewidenije bzw. heute Perwy Kanal.

Mit Nastojaschtscheje Wremja ist der Auslandsrundfunk der USA gerade auf eine Plattform zurückgekehrt, von der er zuvor verschwand, als 1995 die speziell auf Mitteleuropa zugeschnittene Hörfunkwelle VOA Europe aus Kostengründen eingestellt wurde: Astra 19,2°Ost.

Die Aufschaltung zielt auch, aber nicht nur auf Russen, die sich in Mitteleuropa aufhalten.

 

Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 08.04.2023