Art aber fair - die Kunstkritik auf radioeins - Publikation und Online-Ausstellung zu Berlins Mode-Ikone Claudia Skoda

Online Sneak-Preview der großen Ausstellung im Kulturforum

Martin Kippenberger, Ohne Titel (Claudia Skoda mit ihrer Strickmaschine im U-Bahnhof Kottbusser Tor, Berlin), Silbergelatine-Vintageprint, ca. 1976-77 © Estate of Martin Kippenberger, Galerie Gisela Capitain, Cologne
Estate of Martin Kippenberger, Galerie Gisela Capitain, Cologne
Martin Kippenberger, Ohne Titel (Claudia Skoda mit ihrer Strickmaschine im U-Bahnhof Kottbusser Tor, Berlin), Silbergelatine-Vintageprint, ca. 1976-77 | © Estate of Martin Kippenberger, Galerie Gisela Capitain, Cologne Download (mp3, 6 MB)

Berlin-Kreuzberg, Mitte der 70er Jahre: In einer Fabriketage in der Zossener Straße wird Mode-Geschichte geschrieben. Claudia Skoda, damals Anfang 30, entwirft Kleider, Leggings und Mäntel aus Strick.

Was bis dahin als eher bieder und im besten Fall kuschelig galt, krempelt die Berlinerin völlig um: sexy Strickmode als internationaler Mode-Hit "made in Berlin". Im Dezember sollte eine große Ausstellung über Claudia Skoda im Berliner Kulturforum gezeigt werden, die Eröffnung wurde ins Frühjahr verschoben. Die Staatlichen Museen haben die Schau "Claudia Skoda. Dressed To Thrill" nun schonmal ins Netz gestellt.

Mehr dazu von radioeins-Kunst-und-Kultur-Reporterin Cora Knoblauch.

"Claudia Skoda. Dressed To Thrill" - die Online Sneak Preview der großen Ausstellung im Kulturforum (eröffnet im Frühjahr) gibt es jetzt schon mal zu sehen über einen Link auf der Seite der Staatlichen Museen zu Berlin: www.smb.museum

Eine Modedesignerin zu sehen in den Staatlichen Museen - liegt jetzt nicht gleich auf der Hand, oder?

C.K.: Ja, stimmt, als ich die Ankündigung im Herbst las, dachte ich auch erst: Warum denn das? Ich kannte zwar die Figur Claudia Skoda, aber tatsächlich hatte ich sie eher im Zusammenhang mit der West-Berliner Popkultur der 70er/80er Jahre abgespeichert. David Bowie war zum Beispiel ein guter Freund von ihr, Malaria, Kraftwerk, das waren Bands, die mit ihr befreundet waren, Skodas Modeschauen waren immer auch Musikhappenings. Ihre Fabriketage in Kreuzberg war so etwas wie die Factory von Andy Warhol - Berliner Maßstab natürlich. Diese Internetausstellung via google arts & culture zeigt nun beeindruckende Fotos ihrer teils unglaublichen Modeentwürfe von damals und wenn man sich da durchscrolled, dann dämmert einem: Claudia Skodas Klamotten gehören durchaus ins Museum - aber nicht weil sie alt sind, sondern Kunst!

Was hat sie denn gestrickt?

Sie selbst sagte damals: "Die Frau, die meine Sachen trägt, muss selbstbewusst sein." Jo. Zarte Pullover zum Beispiel mit V-Ausschnitt bis zum Bauchnabel, eingewebten Silberfäden und so hauchdünn, das man die Nippel sehen kann, Schlauchkleider, super eng mit Blitz- und Flammenmuster aus Glitzergarn, Kappen aus Strick, die aussehen wie eine Mischung aus Badekappe, Rennfahrermütze und Zwangsjacke für den Kopf.

Die Schau im Netz ist so aufgebaut, dass man zuerst ein tolles schwarz-weiß Foto sieht, auf dem steht eine selbstbewusste junge Frau auf Highheels in Herren-Jackett und Strumpfhose in einem U-Bahnhof, in der Hand trägt sie eine seltsame Maschine, wie einen Waffenkoffer. Die junge Frau ist Claudia Skoda selbst, der Bahnhof ist der Kotti und das komische Teil in ihrer Hand ist eine Strickmaschine. Mit der hat sie damals einen Großteil ihrer Kleidung gestrickt. Dieses schwarz-weiiß-Foto hat übrigens der Künstler Martin Kippenberger gemacht, damals noch ziemlich unbekannt, aber genau wie Claudia Skoda super aktiv in der Underground-Kunst-Szene West-Berlins unterwegs.

Nach diesem starken Auftaktfoto scrollt man sich durch Fotografien von Skodas schrägen Modeschauen und vor allem durch Fotos, die Skoda von sich und den Frauen machen lies, mit denen sie sich umgab. Skoda und ihre Freundinnen verkleideten und inszenierten sich sehr gern. Und diese girls hatten so krasse Frisuren.

Nun gibt diese Online-Ausstellung wahrscheinlich ja nur einen ersten Einblick in die analoge Ausstellung im Frühling. Was wird es denn dort noch zu sehen geben außer Fotos?

Den Laufsteg beispielsweise, den Martin Kippenberger für eine Skoda-Modenschau namens "Pablo Picasso" gemacht hat, 1977. Da hat er 1.300 Fotos von sich und den beiden Fotografinnen Ulrike Ottinger und Esther Friedman, übrigens die Berliner Freundin von Iggy Pop, auf dem Fußboden verteilt, über den die Models in Skodas Strickkleidern (viel Haut, wenig Strick) tanzten. Diesen Laufsteg bauen sie in der Schau nach, dazu soll es dann Super-8-Filme geben und natürlich auch die Modeentwürfe, die dort gezeigt wurden. Eigentlich müsste man aufgeführt sagen, denn ihre Modeschauen waren inszenierte Kunst-Performances.

Das wird ein Trip zurück in die Popkultur und Mode der 70er und 80er Jahre in West-Berlin. Das hatten wir natürlich schon oft - aber: Es wird in dieser Schau endlich mal eine zentrale Frauenfigur dieser Epoche gewürdigt, Claudia Skoda - die laut dem Modemagazin "Elle" mit Madonna, Chanel und Westwood den Look des 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt hat. Wenn die wichtigen Modedesigner des 20. Jahrhunderts genannt werden, dann fehlte Claudia Skoda bislang oft, und das kann sich ja nun endlich mal ändern.

Art aber fair © IMAGO / Müller-Stauffenberg
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