Album der Woche - For The Sake Of Bethel Woods von Midlake

For The Sake Of Bethel Woods von Midlake
For The Sake Of Bethel Woods von Midlake | © Bella Union

Nach neun Jahren hat das Warten ein Ende: Es gibt ein neues und damit fünftes Album der Band Midlake aus Texas.

Das Album ist der Nachfolger von »Antiphon« aus dem Jahr 2013 und in der Zwischenzeit hat sich Sänger und Songschreiber Eric Pulido auch andere Projekte verfolgt. Wie die Supergroup BNQT gemeinsam mit Ben Bridwell (Band of Horses), Alex Kapranos (Franz Ferdinand), Fran Healy (Travis) and Jason Lytle (Grandaddy). Es war etwas, was er ganz bewusst machen wollte. Eine Abwechslung, ein anderer Kontext, doch vor allem, um mit Abstand die Zusammenarbeit mit seinen Kollegen von Midlake wieder wertschätzen zu können.



Es gab mehrere Gründe, warum die Band wieder für ein neues Album zusammenkam, aber keiner sei so poetisch, wie der Traum von Keyboarder Jesse Chandler. Sein verstorbener Vater Dave, den alle sehr mochten, erschien ihm im Traum und ermutigte ihn, die Band wieder zusammenzubringen. "Then he came to me in a dream, did it so vividly, offering just one plea simply", heißt es in dem Song „Meanwhile“. Deshalb ist Dave Chandler auch auf dem Albumcover zu sehen. Im Alter von 16 Jahren, als er nach Bethel Woods zum Woodstock-Festival trampte. Das Foto ist ein Standbild aus einer Woodstockdokumentation. Für ihn verkörpert dieses Jugendbild seines Vaters, der einfach nur friedlich und ruhig dasitzt in dem ganzen Tumult, die Hand auf dem Kinn, was es bedeutet, in den Wirren einer beeinflussbaren und flüchtigen Jugend zu sein, und was die Magie der Musik des Friedens, der Liebe und der Gemeinschaft mit sich bringt, ob man es zu diesem Zeitpunkt weiß oder nicht, meint Jesse Chandler. Ein Gedanke, ein Gefühl, dem sich der Song „Bethel Woods“ nähert, um dabei keineswegs nostalgisch im eigentlichen Sinne zu sein. Vielmehr geht es in dem Song um Werte wie Gemeinschaft und Frieden. Wir sollten uns lieber auf das zubewegen, was uns eint, als auf das, was uns trennt. So ist auch „Exile“ mit seinem bedrohlichen Sound ein Song, der sich um Wertschätzung dreht. Warum können wir uns nicht gegenseitig einfach wertschätzen und zusammenstehen: "Why don't we walk as thick as thieves?

Jeder Song kann natürlich eine Bedeutung haben, mit der sich die Leute selbst identifizieren können, auch wenn es noch konkrete Anhaltspunkte gibt wie in „Glistening“. Der Song handelt von Eric Pulidos Eintritt in die Band vor 21 Jahren (2001) und um seine Selbstzweifel, die sich jedoch in dem psychedelischen Schwelgen am Ende des Songs verlieren. Um Befreiung geht es auch in dem Song „Feast of Carrion“ (Fest der Aasfresser). Ein Wortspiel mit „carry on“. Es geht darum, etwas hinter sich zu lassen und sich zugleich an dem Vergangenen zu laben.

Verlust und Hoffnung, Isolation und Gemeinschaft, das Aufhören und die Erneuerung des Zwecks – diese Themen greift das neue Album von Midlake auf und die Formation versteht es, sie musikalisch zeitlos umzusetzen. „For the Sake of Bethel Woods“ wurde von Grammy-Preisträger John Congleton (St. Vincent, Explosions in the Sky, Sharon Van Etten) zu vielschichtiger, liebevoller Perfektion produziert und ist ein Album von immersiver Wärme (u.a. durch exzellente Flötenarrangements) und Geheimnis. Midlake sind leidenschaftliche Sucher und vielleicht eine der besten Band unserer Generation.

Claudia Gerth, radioeins

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